Kategorie Mobilität - 11. September 2019

Adieu Elterntaxi: Warum der Schulweg mit dem Auto wenig ratsam ist

Mit dem Besuch der ersten Klasse beginnt für viele Kinder und viele Eltern ein neuer Lebensabschnitt. Damit stellen sich auch neue Fragen, wie kommen wir zu Schule, welches Verkehrsmittel ist das richtige für die potentiell sehr unterschiedlichen Wege?

Zum morgendlichen Bild vor Schulen gehören nach wie vor Autos, die kreuz und quer auf Verkehrsinseln, Gehwegen oder in engen Einbahnstraßen in zweiter Spur Halt suchen: Vor vielen Schulen spielen sich vor dem Schulbeginn und nach dem letzten Läuten am Nachmittag teils chaotische Szenen mit sogenannten Elterntaxis ab.

Laut einer Erhebung des Verkehrsministeriums (BMVIT) wird in Österreich jedes fünfte Kind in Form des scheinbar bequemen Transportservice von ihren Eltern in die Schule gebracht. Pro Schultag etwa 150.000 Elterntaxis schätzt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Fahrten per Elterntaxi haben in den vergangenen Jahren sogar stets zugenommen. Die Gründe: Allen voran die Zersiedelung und damit einhergehend längere Wege, aber auch eine höhere Quote an Führerscheinen bei den betreuenden Personen, Wohlstandssteigerung und eine höhere Verfügbarkeit von privaten Pkw.

Neben veritablen Störungen des Verkehrs vor Schulen hat diese Form der Mobilität aber weitere negative Folgen: Die elterlichen Taxidienste schaden nachweislich dem eigenen Kind. Auf Schulwegen ist die Verkehrssicherheit meist ohnehin höher und Kinder könnten beim selbstständigen Weg zur Schule wichtige Kompetenzen für das richtige Verhalten im Straßenverkehr erlangen, erklärt der VCÖ. Werden Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht, wird ihnen diese Chance genommen.

Das Chaos in 2. Spur

Demnach liegen die größten Gefahren oft gar nicht im Ermessen der Kinder: Zu viel und zu schneller Autoverkehr, aber auch Unachtsamkeit der Lenker oder Kinder – etwa wenn sie mit dem Handy hantieren – würden den Weg gefährden. Aber es sind besonders die Elterntaxis, die zu Unfällen beitragen und in unübersichtlichen, hastigen Situationen die Kinder gefährden. Auch wenn sich Eltern eigentlich durch den direkten Weg zur Schule mit dem Auto größtmögliche Sicherheit versprechen.

Das Gegenteil ist der Fall. Das Herausspringen aus in zweiter Spur geparkter Autos, das Aussteigen aus unklaren und oftmals nicht legalen Haltesituationen sorgt recht fahrlässige für mehr Gefahrenpotential vor Schulen.

Erziehungswissenschafter sind sich dagegen einig: Der selbstständig zurückgelegte Weg zur Schule ist wichtig für Kinder – nicht nur um wach zu werden und Freunde zu treffen. Er kann Kindern die Umwelt näherbringen. Zur Förderung der eigenständigen Mobilität und Verkehrssicherheit gibt es nun jedoch unterschiedliche Ansätze: Bewusstseinsbildung, bessere Überwachung und natürlich konkrete Infrastruktur-Maßnahmen zur Entschärfung von Gefahrenstellen vor und um Schulen.

Eine durchaus schwierige Materie, orientieren sich Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder überwiegend an den örtlichen Gegebenheiten statt an den Bedürfnissen von Kindern. Noch dazu sind konventionelle Überwachungs- und Infrastrukturmaßnahmen meist äußerst aufwendig und auf kommunaler Ebene schwer umzusetzen.

Fest steht: Sicherer wird der Schulweg durch Verkehrsberuhigung. Kiss-and-go-Parkplätze in Nebengassen, wie in Eisenstadt, beruhigte Schulstraßen oder Wohnstraßen sowie Begegnungszonen können die Situation verbessern. Es braucht jedoch mehr als das: Eine fußgängerfreundliche Verkehrsplanung mit einem durchgängigen Netz an ausreichend breiten Gehwegen und übersichtlichen Übergängen sei ebenso wichtig, betonen die VCÖ-Experten. Eine Diskussion über Tempo 30 im Ortsgebiet, zumindest als Regelgeschwindigkeit rund um Schuleinrichtungen, gehörte ebenfalls dazu.

Verbote oder Umbau: Das machen Kommunen

„Am besten ist es, wenn das Kind gar nicht erst ins Auto einsteigt“, sagt Christian Gratzer vom VCÖ. Geht das Kind zu Fuß, würde es dadurch Kompetenzen im Straßenverkehr sammeln. Die Verkehrssicherheit am Schulweg ist höher als auf den Freizeitwegen. Schulwegsicherung durch Schülerlotsen und Polizei, Verkehrsberuhigung im Schulumfeld und eine deutlich höhere Aufmerksamkeit der Kfz-Lenkenden, wenn viele Kinder unterwegs sind, erhöhen die Verkehrssicherheit.

Selbstverständlich gibt es gerade im ländlichen Raum Schulwege, die nur schwerlich zu Fuss oder per Öffis zurückgelegt werden können. Ausgebaute Geh- und Radwege sind dort kaum vorhanden. Muss dort der Schulweg auf dem Autorücksitz bewältigt werden ist die Verkehrserziehung auf anderen Wegen umso wichtiger, etwa zum Einkaufen, zu Freunden oder Verwandten. Ein Mangel an Verkehrserziehung könne sich jedenfalls rächen. Wenn Kindern die aktive Verkehrserfahrung fehlt, verlagern sich Unfälle in höhere Altersklassen.

In Wien gibt es für jede Volksschule einen Schulwegplan. Darin sind unsichere Stellen wie Sträucher, hinter welchen die Kinder schlecht sehen, oder Kreuzungen, in die die Autofahrer etwa erst spät einsehen können, vermerkt. Mit dem Schulstart wurden auch drei neue Schulstraßen eröffnet. Pilotprojekt mit Fahrverboten für den motorisierten Verkehr zu Unterrichtsbeginn und nach Unterrichtsschluss sollen ausgedehnt werden.

Dazu kommen bauliche Maßnahmen, etwa geschwindigkeitsreduzierende Maßnahmen durch Fahrbahnanhebungen und verbesserte Sichtbeziehungen durch das Vorziehen der Gehsteige.

Auch im Burgenland gibt es wie etwa in Wulkaprodersdorf Halteverbote vor Volksschulen. Doch nicht überall sieht man eine Notwendigkeit für Verbote. Volksschulen setzen ebenfalls auf Bewusstseinskampagnen und machen Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam, dass der Weg auch zu Fuß zurückgelegt werden kann.

Schulstraßen hatten in Österreich in Salzburg Premiere. Dort existieren seit 2017 temporäre Fahrverbote vor Volksschulen. Eine halbe Stunde vor Schulbeginn werden die Straßen mit Scherengittern gesperrt. 2018 waren sieben Volksschulen dabei, weitere werden folgen.

Die Zahl der Schulwegunfälle liegt seit Jahren zwar auf gleichbleibend niedrigem Niveau. Gerade die elterlichen Autoschlangen vor den Bildungseinrichtungen machen die Verkehrssituation aber unübersichtlich und gefährlicher. Die meisten Unfälle würden sich außerdem im Pkw und nicht per pedes ereignen.

Ob und ab welchem Alter Kinder allein zur Schule gehen können, hängt von der Beschaffenheit der Wegstrecke und der bereits erfolgten Verkehrserziehung ab. Erwachsene sollten den Weg mit ihnen üben und dabei oft in die Knie gehen – auf Augenhöhe der Kinder, denn Kinder erleben ihre Umwelt und vor allem den Straßenverkehr völlig anders als Erwachsene. Unbewusst erwarten Erwachsene, dass sich Kinder im Straßenverkehr wie kleine Erwachsene verhalten. Das ist aus Sicht der kindlichen Entwicklung jedoch gar nicht möglich. Kinder sehen, hören, denken, fühlen und bewegen sich vollkommen anders. Und dort muss mit dem Verkehrstraining und bewusstseinsbildenden Maßnahmen angesetzt werden.

Egal ob zu Fuß, per Auto oder mit den Öffis – damit auch der Weg von und zur Schule ein spannendes und sicheres Erlebnis wird, müssen Kinder Verkehrsregeln sowie den Umgang mit möglichen Gefahren (er)lernen. Ratsam ist es, jeweils die letzten Tage vor dem Schulstart für ein gezieltes Training des Verhaltens am Schulweg zu nutzen. Wie Sie Ihre Kinder und sich selbst darauf vorbereiten können, haben wir in 11 Tipps für einen sicheren Schulweg zusammengestellt.

Meist führen mehrere Wege in die Schule. Wichtig ist, den für das Kind besten und nicht unbedingt den kürzesten Weg zu wählen. Konkret heißt das, jene Route zu wählen, auf der weniger Autos fahren und weniger Straßen zu überqueren sind. Kinder können erst ab etwa dem 9. Lebensjahr Entfernungen richtig abschätzen, das Abschätzen von Geschwindigkeit ist erst danach möglich. Wichtig ist, den Schulweg aus der Perspektive des Kindes zu betrachten. Hindernisse oder parkende Autos, über die Erwachsene leicht hinwegblicken, können Kindern die Sicht verstellen. Gefahrenstellen am Schulweg sollten unbedingt der jeweiligen Gemeinde oder dem Bezirk gemeldet werden.

Eine Verabschiedung vom Elterntaxi hätte außerdem ohne großen zusätzlichen Zeitaufwand einem weiteren Positiveneffekt: Morgendliche körperlichen Bewegung gilt nach wie vor als äußerst gesundheitsfördernd.

Service: Auch dieses Jahr können zur besseren Sichtbarkeit im Straßenverkehr und am Schulweg unsere Reflektorbärchen bestellt werden. Sie gibt es gratis und solange der Vorrat reicht im Servicebüro des BMVIT via E-Mail servicebuero@bmvit.gv.at oder per Telefon +43 (0) 800 21 53 59 (Mo-Fr 8:00 – 17:00).

Zur Sache: Im Straßenverkehr brauchen vor allem die schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, unsere Kinder, besondere Aufmerksamkeit. In den ersten Septemberwochen absolvieren wieder zehntausende aufgeregte Taferlklassler und Tafelklasslerinnen ihren ersten Schulweg. Sie müssen, um sicher in die Schule und wieder heim zu kommen, die wichtigen Verkehrs- und Verhaltensregeln im Straßenverkehr beherrschen. Dazu brauchen sie die Unterstützung ihrer Eltern oder anderer engagierter Bezugspersonen. Bitte seien Sie ein gutes Vorbild und üben Sie mit ihren Kindern den Schulweg. Machen wir gemeinsam Österreichs Straßen ein Stück sicherer.