Kategorie Innovation & Technologie - 23. Januar 2020

Welt in Flammen: Copernicus als Wächter über Waldbrände

Seit September 2019 herrschen extreme Buschfeuer im Südosten Australiens, Satellitendaten helfen bei der Überwachung und schnellen Identifizierung.

Die Bilder aus Australien haben sich jetzt schon sprichwörtlich in unser Gedächtnis gebrannt. Seit Monaten hat der Kontinent mit schweren Buschbränden zu kämpfen. Dass es dort in dieser Jahreszeit brennt, ist nicht ungewöhnlich. Doch in diesem Jahr wüten die Flammen wegen der langanhaltenden Trockenheit und starker Winde besonders heftig.

Inzwischen in erschreckendem Ausmaß einer einzigartige Katastrophe – auch mit globalen Folgen. Vielerorts wurde der Ausnahmezustand verhängt. Die Feuer haben nicht nur massive Auswirkungen auf die Bevölkerung, sondern heizen auch die Klimakrise weiter an.

 

Während Experten und Experten auch alle zur Verfügung stehenden Satellitendaten nutzen, um die Situation zu überwachen, kann das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus mit seiner Sentinel-3-Mission neue Informationen über das Ausmaß der Feuer und ihren Einfluss auf die Athmosphäre liefern. Im Fokus: die Athmosphäre definierende Aerosolkonzentration.

Daten aus dem Feuersturm

Schätzungen gehen von mehr als 6,3 Millionen Hektar Busch-, Wald- und Nationalparkland aus, die bereits Opfer der Feuer wurden. Es sind oftmals menschengemachte Feuer, aber oft reicht auch ein Blitzschlag, der die trockene Vegetation im Nu entzündet. In extremen Fällen können Buschbrände selbst auch das Wetter beeinflussen und Gewitter auslösen, die wiederum das Risiko von Blitzeinschlägen und weiteren Bränden erhöhen und sich damit quasi selbst befeuern.

Dieses Phänomen scheint zumindest für einen Teil der aktuellen Feuer der Fall zu sein. In dieser extremen Ausprägung kann es dann sein, dass Buschfeuer ihr eigenes Wetter erzeugen.

Regelrechte Feuerstürme können lokal veränderte meteorologische Bedingungen herstellen. Die Hitze des Feuers sorgt dafür, dass binnen kürzester Zeit große Mengen an Luft in der Atmosphäre nach oben gesogen werden. Dabei nehmen sie Wasserdampf, Ruß und Asche mit. Wenn die Bedingungen in der Atmosphäre stimmen, kondensiert der Dampf. Es bilden sich riesige Wolken, in denen sich Gewitter zusammenbrauen.

Pyrocumulonimbus oder Flammagenitus nennen Meteorologen diesen spektakulären Wolkentyp. Zuletzt bildete sich eine solche Feuerwolke in der Region rund um Melbourne. Sie ragte bis zu 16 Kilometer in die Höhe.

Solche Brände verursachen also nicht nur dramatische Veränderungen der Erdoberfläche, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Erdatmosphäre. Das Global Fire Assimilation System (GFAS), das im Rahmen des Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS) betrieben wird, wertet die Beobachtungen der Feuerstrahlungsleistung (engl. fire radiative power, FRP) von satellitengestützten Sensoren aus, um tägliche Schätzungen der globalen Rauchemissionen der verbrannten Biomasse zu erhalten.

Fire radiative power (FRP) der australischen Buschbrände. Die gesamte Strahlungsleistung (FRP) für 2019 (rot) im Vergleich zum Mittel der letzten 16 Jahre (grau) für New South Wales (links) und Victoria (rechts), die zu den am stärksten von Bränden betroffenen Staaten Australiens gehören. © CAMS/ECMWF

GFAS liefert auch Informationen darüber, in welcher Höhe der Rauch in die Atmosphäre unterwegs ist, was widerum die Vorhersage zulässt, wohin der Rauch transportiert wird. Diese Prognose basiert auf einem Modell, das die FRP-Daten mit den Berechnungen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW) kombiniert. An diesem Zentrum ist CAMS angesiedelt. Neben CAMS betreibt das EZMW einen zweiten Dienst für das Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm der EU, den Copernicus Climate Change Service (C3S), und leistet gleichzeitig einen Beitrag zum Copernicus Emergency Management Service (CEMS).

Daten zur Fire radiative power (FRP) über Australien. © modified Copernicus Sentinel data (2020)/processed by Kings College London

Im Rahmen der Mission hat die ESA ein neues Produkt entwickelt, das mithilfe der Infrarotmessung Brände auf der Erdoberfläche schneller erkennen und deren thermische Emission (die sogenannte Feuerstrahlungsleistung) quantifiziert. Dabei helfen Daten des Radiometers an Bord von Copernicus Sentinel-3, welches die Temperaturen von Wasser- und Landoberflächen misst.

So kann die schneller Identifizierung von Bränden auf der Erde erreicht werdenund liefert Schätzungen ihrer Strahlungsstärke, die wiederum Rückschlüsse auf die Menge des von ihnen verbrannten Materials und die Menge der von ihnen freigesetzten Emissionen nach sich ziehen. Diese Daten werden die Bewertung der lokalen und globalen Auswirkungen der Brände unterstützen, auch ihrer CO2-Emissionen sowie der Auswirkungen auf Atmosphäre und Luftqualität.

Und diese Auswirkungen sind gewaltig: Die Waldbrände entlang der australischen Ostküste haben bereits rund 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gepumpt. Diese Menge übertrifft die jährlichen Emissionen der 116 emissionsärmsten Länder zusammengenommen und beträgt das Neunfache dessen, was in der Rekordbrandsaison 2018 in Kalifornien erzeugt wurde. Sie macht auch etwa drei Viertel der abflachenden Treibhausgasemissionen Australiens von 2019 aus.

Wie 2019 die Welt in Flammen stand

Wald- und Flächenbrände sind wie eingangs beschrieben nichts Außergewöhnliches. Viele Regionen der Erde haben zu bestimmten Zeiten im Jahr regelmäßig mit Feuern zu kämpfen. Umso wichtiger sind die möglichst akkuraten Überwachung von aktiven Feuern und die Einschätzung deren Emissionen.

Besorgniseregend ist jedoch, dass Flächenbrände in diesem Ausmaß für eine deutlich größere Luftverschmutzung verantwortlich sein könnten, als die Emissionen der Industrie. Deren Mix aus Feinstaub, Kohlenstoffmonoxid und weiteren Schadstoffen, kann außerdem stark gesundheitsgefährdend sein. 2019 war solche Flächenbrände ungewöhnlich stark ausgeprägt.

„Für CAMS war es, was die Beobachtung von Bränden angeht, ein sehr arbeitsreiches Jahr, um es mal so auszudrücken“, sagt Mark Parrington, Senior Scientist bei CAMS. „Über das gesamte Jahr haben wir detailliert die Intensität der Feuer und ihre Rauchentwicklung beobachtet – und zwar weltweit.“

Dabei gab es seiner Meinung nach sehr ungewöhnliche Aktivitäten, teilweise in Regionen, die normalerweise zu bestimmten Zeiten eigentlich keine Feuer aufweisen. „Unsere Beobachtungen sind aber von großer Bedeutung, um auf die weitreichenden Folgen von Bränden und deren Rauchemissionen aufmerksam zu machen, so dass sich Organisationen, Unternehmenm, aber auch Einzelpersonen informieren und gegen die potenziellen Gefahren von Luftverschmutzung wappnen können.“

Medial präsent waren vor allem die Brände im Amazonasgebiet, in Indonesien, in der Arktis und jene in Australien. Doch auch in Kolumbien, Venezuela, Syrien und Mexiko wüteten gewaltige Brände. Feuer, die medial nicht groß zirkulierten, aber ebenfalls einen signifikanten Effekt auf Umwelt und Luftqualität hatten.

Allein von Anfang 2019 bis zum 30. November des vergangenen Jahres sollen durch Brände auf der Welt schätzungsweise 6,735 Megatonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt sein. Eine gefährliche Spirale scheint sich hier zu entfalten: CO2 gilt als eines der Klimagase, die den Klimawandel nachteilig beeinflussen und anhaltende Veränderungen des Klimas können auch die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen und damit extremen Bränden in der Zukunft erhöhen.

Über Copernicus Sentinel

Copernicus ist das wichtigste Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union. Die Copernicus Sentinels sind eine Flotte von EU-Erdbeobachtungssatelliten, die eine Fülle von Daten und Bildern liefern. Sie sind für das Copernicus-Umweltprogramm der Europäischen Union von zentraler Bedeutung .

Die Europäische Kommission leitet und koordiniert dieses Programm, um das Umweltmanagement zu verbessern und Leben zu schützen. Die ESA ist verantwortlich für die Weltraumkomponente, die für die Entwicklung der Familie der Copernicus Sentinel-Satelliten im Auftrag der Europäischen Union und die Gewährleistung des Datenflusses für die Copernicus-Dienste verantwortlich ist, während die Operationen der Copernicus Sentinels der ESA und EUMETSAT übertragen wurden.

Mit Erdbeobachtungsdirektor Josef Aschbacher ist derzeit ein Österreicher oberster „Weltvermesser“ der europäischen Weltraumagentur am Weltraumforschungsinstitut (ESRIN) in Frascati bei Rom.

Österreich ist zudem führend im Bereich der Auswertung von Sentinel-3 Messdaten. Hierzulande stellt das Earth Observation Data Center (EODC) in Wien ein vollständiges, mehrere Petabyte umfassendes Archiv von Sentinel-Daten bereit, das von Wissenschaftlern und Organisationen aus der ganzen Welt genutzt wird. Durch die Beobachtungen von Sentinel-3B wird auch der Wert des Datenzentrums weiter anwachsen.

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.