Kategorie Innovation & Technologie - 19. Juni 2016

Der Computer als Copilot im Krisenfall

Graz – Ein Kleinflugzeug mit mehreren Passagieren ist über den Alpen unterwegs. Plötzlich rutscht die Hand des Piloten vom Steuerknüppel, er ist nicht mehr ansprechbar. Herzinfarkt. Wiederbelebungsversuche bleiben erfolglos. Die Flugzeugnase neigt sich nach vorne. Die Berge kommen immer näher. Was tun?

Arno Fallast und Andreas Hinze vom Institut für Luftfahrt der steirischen FH Joanneum haben sich in den letzten Jahren mit der Entwicklung einer Technologie befasst, die in dem beschriebenen Fall die Passagiere retten könnte. Die beiden Luftfahrtingenieure haben im Rahmen des Projekts „eSafe“ an einem System gearbeitet, das bei einem Pilotenausfall das Steuer übernehmen und die Maschine sicher auf einem Flughafen landen kann. Das Projekt, das vom Luftfahrtprogramm Take Off der Förderagentur FFG durch das Verkehrsministerium unterstützt wurde, arbeitet mit der Flugzeugkategorie CS 23 – also leichten Motorflugzeugen.

Von der FH Joanneum kamen dabei jene Algorithmen, die den am besten geeigneten Flughafen identifizieren und die Route dorthin planen. „Das ist nicht wie bei einem autonom steuernden Auto, das von A nach B fährt“, erklärt Fallast. „Es stehen dem System vielleicht 40 Landemöglichkeiten in der Umgebung zur Auswahl. Zu all diesen wird parallel eine Route gesucht und danach die am besten geeignete ausgewählt.“

Um das zu meistern, müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Bei vielen Kleinflugzeugen werden Ruder etwa noch über Seilzüge oder Stangen bewegt. Vom Unternehmenspartner Diamond Aircraft kam ein entsprechend umgerüstetes zweimotoriges Flugzeug, das über die Steuerungstechnik und Sensorik verfügt, die eine autonome Steuerung möglich macht. Das Notlandesystem ist mit dem Flugrechner verbunden, der zu jeder Zeit Daten wie GPS-Position, Treibstoffvorrat, Höhe, Lage und Neigung der Maschine bereitstellt. Daten zur Topografie, aktuelle meteorologische Daten sowie Informationen mit der genauen Lage der Flughäfen und der Ausrichtung und Länge ihrer Landebahnen müssen ebenfalls zugänglich sein.

„Zuerst wird ausgeschieden, welche Flughäfen außerhalb der Reichweite liegen“, sagt Fallast. „Zu allen anderen wird innerhalb weniger Sekunden eine Route berechnet und in einem Ranking gereiht.“ Nicht zwangsläufig ist der nahegelegenste Flughafen auch der optimale. Zu starker Seitenwind macht dort vielleicht eine Landung schwierig. Oder das System wählt einen größeren Airport, der zwar weiter weg ist, dafür aber eine schnelle medizinische Versorgung bietet.

Gerade die Beschaffenheit des Geländes, über dem sich das Flugzeug bewegt, stellt das System vor Herausforderungen. „3000 Meter über Grund ist es nicht so schwer, eine Route zu errechnen. Das geht vielleicht mit nur zwei Kurven“, sagt Hinze, selbst Pilot. Was aber ist, wenn man sich in einer gebirgigen Region unterhalb der Gipfel befindet? Auf Basis der Daten aus der Geländedatenbank müssen dann entsprechende Manöver – etwa ein spiralförmiger Steigflug – geplant werden. „Hier müssen etwa Steigleistung und Kurvenradien des Flugzeugs miteinbezogen werden“, sagt Hinze.

Das System, das im Gegensatz zu Autopiloten nicht nur ein Programm abspult, sondern auch Entscheidungen über das Flugziel trifft, könnte ein erster Schritt zu selbstfliegenden Maschinen im Bereich leichter Motorflugzeuge sein. Selbst eigenständige, unbemannte Missionen seien denkbar.

Nachdem die Entwickler das System am Simulator optimiert hatten, wurde die Funktionstüchtigkeit eines Prototyps bei einem realen Testflug demonstriert. Im viersitzigen Flugzeug, einer DA 42, nahm das aufwendige System mit seinen drei Rechnern, die die nötige Redundanz bereitstellen, zwar zwei der Sitzplätze ein – legte aber erfolgreich eine Landung im Alleingang hin.