26. September 2016

Der Klimaanlage richtig einheizen

Ein Geistesblitz braucht manchmal seine Zeit. So war es bei Peter Kerschenbauer. Der technische Physiker bekam sie von seinem Unternehmen, der AVL DiTest in Graz, um eine ganz besondere Herausforderung zu lösen: Es galt zu verhindern, dass sich beim Service einer Klimaanlage, die Kohlendioxid (CO2) als Kältemittel nutzt, Trockeneis bildet. Das passiert, wenn das Gas zu rasch abgelassen wird. Kerschenbauer studierte Klimaanlage und Kältemittel, die zündende Idee kam ihm schließlich beim Zähneputzen. Er fand ein Verfahren, mit dem sich die umweltfreundlicheren Klimaanlagen deutlich schneller warten lassen als bisher. Seine bereits zum Patent angemeldete Erfindung ist neben zwei weiteren in seiner Kategorie für den Staatspreis Patent nominiert, den Technologieministerium und Patentamt gemeinsam vergeben.

Kerschenbauers Innovation kommt zum passenden Zeitpunkt, gilt doch ab 2017 eine neue EU-Richtlinie für Fahrzeugklimaanlagen in Neuwagen: Dann sollen Kältemittel der Atmosphäre deutlich weniger schaden als bisher. Zwischen 400 Gramm und einem Kilo Kältemittel zirkulieren derzeit in einer Klimaanlage. Das Treibhauspotenzial von einem Kilogramm des aktuell genutzten Mittels R 134a entspricht in etwa dem von 1430 Kilogramm CO2. Das Kohlendioxid gilt mit dem Kürzel R744 selbst als aussichtsreiche Alternative. „Es kommt in der Natur vor, ist daher umweltverträglich und günstig herzustellen“, sagt Kerschenbauer.

Mercedes macht den Anfang

Der Druck, mit dem CO2-Klimaanlagen arbeiten, ist allerdings mit rund 100 bar zirka zehnmal so hoch wie bei bisherigen Anlagen. Daher wird CO2 auch nicht für Kühlschränke eingesetzt. Die Autoindustrie hat längst reagiert. In neue Autos werden neue Leitungen und Dichtungen eingebaut. Als weltweit erste Serienfahrzeuge mit CO2-Klimaanlage rollen ab Jahresbeginn 2017 die S- und die E-Klasse von Mercedes vom Band.

Der Haken? Lässt man CO2beim Service der Klimaanlage in der Werkstatt rasch ausströmen, erstarrt es zu Trockeneis. Das kann die Leitungen beschädigen. Dann werde aus einer Überprüfung der Anlage rasch eine kostspielige Reparatur, so Kerschenbauer. Derzeit könne man nur etwa ein Bar pro Minute ablassen. Das langsame Ablassen des Gases dauert so bis zu einer Stunde – Zeit, die der Konsument bezahlt. „Jede Minute weniger spart dem Kunden Geld“, sagt Kerschenbauer.

Seine Idee: die Temperatur im Kältemittel zu erhöhen, damit man es so schnell ablassen kann, wie man möchte. Wie lässt sich das nun lösen, ohne das ganze Auto auf eine Heizplatte zu stellen: Dabei würden sich nämlich auch sämtliche Metallteile erwärmen, gibt Kerschenbauer zu bedenken.

Die Lösung lag weit näher: Weil auch die Servicegeräte in den Werkstätten wie die Klimaanlagen selbst mit einem Kompressor arbeiten, beschloss er, den Kältekreis einfach umzuleiten. Denn ob Kühlschrank oder Autoklimaanlage – ein Kältekreis funktioniert immer nach demselben Prinzip: Ein Kompressor verdichtet das Gas, das sich durch den steigenden Druck erhitzt. Ein Wärmetauscher führt die weit über Raumtemperatur liegende Wärme – beim Kühlschrank sind es etwa 55 Grad Celsius – ab. Dann senkt man den Druck im System.

„Entspannen unter Druck stehende Gase, kühlen sie stark ab“, erklärt Kerschenbauer. Das könne man auch bei einem Feuerlöscher oder einer Spraydose beobachten, die man länger betätigt. Ein zweiter Wärmetauscher kühlt die Umgebung. Die beiden Kühler fallen nun bei Kerschenbauers Verfahren einfach weg. Damit wirkt der Kompressor wie eine Heizung: Die Wärme bleibt im Kältemittel, das nun problemlos getauscht werden kann.

Zwei Jahre lang getüftelt

Zwei Jahre lang tüftelte der Techniker an der Lösung: Mit Klimaanlagen kannte er sich aus, schließlich hatte er in Pinkafeld eine HTL für Heizungstechnik absolviert, an der TU Graz im Bereich Thermophysik und anschließend bei einem steirischen Kompressorhersteller für Kühlschränke gearbeitet. Für ihn galt es vor allem, die Eigenschaften von CO2 als Kältemittel zu verstehen, sagt er heute stolz.

Am 9. November wird sich zeigen, ob er mit seinem Verfahren die Jury des Patent-Staatspreises überzeugt hat. Sein Unternehmen hat jedenfalls schon gewonnen: Die AVL DiTest stattet die Vertragswerkstätten von Daimler mit Klimaservicegeräten aus – neben weltweit nur einem Mitbewerber. (von Alice Grancy, Die Presse)