Kategorie Innovation & Technologie - 11. Juni 2017

Drohnenaufnahmen: Fliegende Fassadenfotografen

Kapitälchen, Vorsprünge, Türmchen, Statuen: Die Fassade eines mittelalterlichen Doms ist im Vergleich zu heutigen Bauwerken etwas aufwendiger gestaltet. Den Bewahrern alter Bausubstanzen stellen sie eine Mammutaufgabe. All die Steinmetzarbeiten an den – im wahrsten Sinne – monumentalen Außenwänden müssen überwacht und instandgehalten werden. Löst sich nur ein kleiner Mauerteil, gefährdet das die Passanten darunter.

Der Kölner Dom gilt heute noch als Bauwerk mit der höchsten Doppelturmfassade der Welt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der knapp 160 Meter hohe Bau der höchste der Welt. Das Salzburger Unternehmen Linsinger Ziviltechnik, das auf Kulturgutvermessung und Bauanalytik spezialisiert ist, arbeitet bei der Überwachung der Mauerflächen des Kölner Doms, die viel größer sind als etwa jene des Stephansdoms, schon seit einiger Zeit mit Drohnen. Auf Basis der hochauflösenden Fotos der Fassaden kann der Erneuerungs- und Instandhaltungsbedarf besser abgeschätzt werden.

Detailreiche Rekonstruktionen

Um die Methoden zur Dokumentation von Fassadenveränderungen bei historischen Bauwerken zu verfeinern, hat Linsinger im Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) einen Partner gefunden. In einem Forschungsprojekt, das vom Comet-Programm der Förderagentur FFG mit Mitteln von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium unterstützt wird, werden virtuelle Rekonstruktionen der Bauwerke in einem bisher unerreichten Detaillevel entwickelt.

Gebäude wie der Kölner Dom sind nicht mehr mit konventionellen 3D-Laserscannern vom Boden aus erfassbar. Die Grundidee ist nun, so viel Überwachungsarbeit wie möglich mit Drohnenunterstützung durchführen zu können, um ein oftmaliges aufwändiges Einrüsten der Gebäude einzusparen, erklärt Anton Fuhrmann von VRVis. Selbst Risse, die kleiner als ein Millimeter sind, oder Wasserflecken unter der Fassade, die mit freiem Auge nicht erkennbar sind, sollen sichtbar gemacht werden.

Die Drohnen, die an der Gebäudefassade entlanggesteuert werden, nehmen mit hochauflösenden Kameras tausende Fotos auf. Mit den Methoden der sogenannten Fotogrammetrie werden dann aus vielen verschiedenen zweidimensionalen Ansichten des Objekts in rechenintensiven Computerprozessen hochauflösende virtuelle 3D-Modelle erstellt. „Die Objekte auf den Fotos müssen gleich aussehen. Beleuchtung und Schattenwurf dürfen sich von Aufnahme zu Aufnahme nicht stark verändern“, nennt Fuhrmann die einzige Einschränkung bei der Datengewinnung. Während verspiegelte Fassaden ein Problem darstellen würden, komme man bei den Bleifenstern der Kirchen gut zurecht.

Wärmebildaufnahmen

Um die Genauigkeit und Aussagekraft der Modelle noch zu erhöhen, werden die Rekonstruktionen mit weiteren Methoden kombiniert. Eine davon ist die Anwendung von Wärmebildkameras, die geringfügige Unterschiede im Temperaturverlauf abbilden können. Neben Wasserschäden werden so etwa auch Oberflächenveränderungen wie die Ausbreitung von Bewuchs oder Abblätterungen erkennbar.

Bei der Darstellung dieser Daten in dreidimensionalen Modellen ergibt sich das Problem unterschiedlicher Auflösungen zwischen Normal- und Wärmebildaufnahmen. „Wir arbeiten an einem hybriden System, bei dem Geometrien mit den Wärmeinformationen richtig dimensioniert überlagert werden“, sagt Fuhrmann.

An den hochauflösenden 3D-Modellen kann man Veränderungen der Fassadenstruktur im Zentimeterbereich ablesen. „Ob die Spitze eines Türmchens oder ein größeres Stück Putz herausgebrochen ist, kann man damit leicht feststellen“, gibt Fuhrmann Beispiele. Die Forscher sind nun dabei, zusätzliche Sensorik zu erproben, um diese Genauigkeit noch zu erhöhen.

Sogenannte fotometrische Methoden sollen dafür sorgen, dass Risse im Bereich von Zehntelmillimetern verortbar und im zeitlichen Verlauf vergleichbar werden. Man soll dann etwa ableiten können, wo der Putz am stärksten verwittert oder wo der Regen den Sandstein angreift. Damit sollen Abbrüche auch vorhersagbar werden.

Auch die Methode der Bildaufnahme per Drohnen könnte noch Verbesserungen erfahren. Aufgrund der Gesetzeslage dürfen die Flüge nicht automatisiert durchgeführt, sondern müssen von menschlichen Anwendern manuell gesteuert werden. Man könnte den Piloten aber unterstützen, indem die Technik optimale Flugkorridore vorgibt, die dann abgeflogen werden, veranschaulicht Fuhrmann. (pum, 11.6.2017)