Kategorie Innovation & Technologie - 20. August 2017

Eine Orientierungshilfe für Drohnen

Wien – Wenn im Auto das Navi ausfällt, muss das nicht weiter schlimm sein. Man orientiert sich an Wegweisern, holt eine Straßenkarte heraus oder fragt nach dem Weg. So einfach geht es in der Luft nicht. Fällt die Satellitennavigation bei autonomen Luftfahrzeugen aus, wird es heikel. Denn ihnen fehlt der menschliche Verstand, um solche Krisen meistern zu können. Intelligente Systeme, an denen am Austrian Institute of Technology (AIT) geforscht wird, können helfen.

In einem mehrjährigen Projekt entwickelte das Team rund um den Bildverarbeitungsexperten Christoph Sulzbachner mit dem Industriepartner Schiebel Elektronische Geräte GmbH ein System, mit dem bei Drohnen und anderen autonomen Flugobjekten die Satellitennavigation ergänzt beziehungsweise langfristig ersetzt werden kann.

Die Ausgangsposition ist dabei durchaus komplex. Zwar könnten Drohnen theoretisch zwischen vier globalen Navigationssatellitensystemen („global navigation satellite systems“, kurz GNSS) wählen: das US-amerikanische „Global Positioning System“ (GPS), das europäische Galileo, das russische Glonass und das chinesische Beidou. All diese recht robusten Systeme liefern exakte Positionsdaten, anhand derer sich Luftfahrtgeräte orientieren können. Allerdings: Durch atmosphärische Störungen könnten alle Systeme zeitweise oder ganz ausfallen. Und es gibt eine Reihe an Möglichkeiten, um die GNSS zu stören.

„Die relativ schwachen Satellitensignale können etwa durch Störsender unterbunden oder manipuliert werden“, sagt Sulzbachner. Schon schwache Störsignale genügen, um eine Satellitennavigation in bestimmten Regionen lahmzulegen.

Manipulierte Signale

Diese Signalunterbindung, auch „jamming“ genannt, wird eingesetzt, um gegnerische Flugobjekte orientierungslos zu machen. Zum anderen können Satellitensignale manipuliert werden. So soll eine US-amerikanische Aufklärungsdrohne durch vorgegaukelte Signale, dem sogenannten „spoofing“, über iranischem Luftraum „entführt“ worden sein.

Was aber tun, wenn bei einer Drohne das Satellitensignal ausfällt? Und wie kann eine Drohne erkennen, dass sie nicht gerade einem „spoofing“-Angriff ausgesetzt ist? Piloten könnten sich im Falle eines Navigationsausfalls am Gelände, an Flüssen, Bergen, Kirchtürmen und anderen markanten Punkten orientieren. Eine Drohne muss diese Fähigkeit des Menschen durch „künstliches Sehen“ imitieren.

Das am AIT entwickelte System kann diese Fähigkeiten des Menschen, sich an optischen Geländemarken zu orientieren, nun nachahmen. Die AIT-Ingenieure statteten dafür den unbemannten Hubschrauber Camcopter S-100 der Firma Schiebel sowohl mit Kamera als auch mit einen digitalen „Rucksack“ an Luftbildern aus und installierten eine leistungsfähige Computereinheit. Damit können Kamerabilder in Echtzeit mit dem Kartenmaterial im digitalen Rucksack verglichen werden. Das Resultat: Das Fluggerät kann sich anhand aktueller Punkte im Gelände orientieren und ist unabhängig von der Satellitennavigation.

Dem Ausfall entgegen wirken

Dabei kann dieses neue System sowohl dem Ausfall als auch der Manipulation von Signalen entgegenwirken. Man braucht das optische Navigationssystem dafür nur parallel zur Satellitennavigation laufen lassen und etwaige Abweichungen dokumentieren. Falls die Daten nicht mehr übereinstimmen, kann mit dem optischen System allein weitergeflogen werden.

Um dieses an sich einfache Prinzip zu realisieren, mussten eine Reihe technischer Fragen gelöst werden, sagt Sulzbachner. Zum einen mussten extrem schnelle Grafikkarten und mehrkernige CPU-Einheiten eingesetzt werden, um eine Echtzeitanalyse von Live- und Kartenbildern zu ermöglichen. Weiters mussten die Kartendaten für den digitalen Rucksack speziell bearbeitet werden. Denn Bodenformationen wie etwa Äcker oder Bewaldungen sehen im Winter und Sommer klarerweise unterschiedlich aus. „Die Bildverarbeitung muss an diese Veränderungen angepasst werden, um eine exakte Liveauswertung zu ermöglichen“.

Insgesamt, so zeigten die Versuche, waren die Ergebnisse der optischen Navigationsführung positiv. In den österreichischen Testgebieten konnten sie die Flüge des Camcopters S-100 exakt protokollieren und wären in der Lage gewesen, Abweichungen von den GNSS-Systemen zu erkennen.

Einen Nachteil werden die AIT-Ingenieure nicht ausgleichen können. Über dem Meer und der Wüste versagt das optische System. Denn hier sind die topografischen Landmarken zu unbestimmt. (Norbert Regitnig-Tillian, 20.8.2017)