Kategorie Innovation & Technologie - 12. November 2019

Electric Propulsion in der Raumfahrt: Nina Sarah Mühlich ist FEMtech-Expertin des Monats

Nina Sarah Mühlich ist unsere FEMtech-Expertin des Monats November. Die in Gießen (Deutschland) geborene Physikerin arbeitet seit vergangenem Jahr bei FOTEC, dem Forschungsunternehmen der Fachhochschule Wiener Neustadt. Dort arbeitet sie in verschiedenen Projekten an neuartigen Weltraumtriebwerken in einer Vielzahl von laufenden internationalen Kooperationen im Auftrag der EU, der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) oder der nationalen Förderagentur FFG.

Nina Sarah Mühlich © ÖGUT

Elektrische Triebwerke sind in der Raumfahrt momentan sehr gefragt und werden dort in naher Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Die FH Wiener Neustadt forscht über ihr Forschungsunternehmen FOTEC an diesem Thema. Seit vergangenem Jahr gehört Nina Sarah Mühlich zu der in Wiener Neustadt ansässigen Forschungsgruppe. Nach ihrem Studium der Physik an der Justus-Liebig-Universität in Gießen absolvierte Mühlich Stationen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen, bei der Airbus Defence and Space GmbH in Lampoldshausen und als Young Graduate Trainee bei der Europäischen Weltraumagentur ESA in den Niederlanden.

„Bei FOTEC liegen meine Arbeitsschwerpunkte auf der Plasmadiagnostik sowie auf der Simulation von elektrischen Weltraumantrieben“, so Mühlich. Dazu gehörten neben dem Design und der Entwicklung von neuen Diagnostiksystemen, die Planung, Durchführung und Auswertung von Experimenten und die Abschätzung der dafür notwendigen Ressourcen.

Wiener Neustadt als Hotspot der österreichischen Weltraumtechnik

Was bei FOTEC in diesem Bereich geleistet werden kann zeigen die Ergebnisse von Projekten der vergangenen Jahre. Seit fast einem Jahrzehnt arbeitet FOTEC an der Entwicklung sogenannter „Field Effect Electric Propulsion“-Triebwerke (FEEP), die in zukünftigen wissenschaftlichen ESA-Missionen eingesetzt werden sollen. Solche Triebwerke nützen dabei den Rückstoß eines erzeugten Ionenstrahls zur Fortbewegung. Aufgrund der geringen Masse sind sie als Sekundärtriebwerke speziell für einen energieschonenden Dauerbetrieb ausgelegt.

Der Antrieb wird dabei durch Energie gespeist, die mit Hilfe von Solarpanelen gewonnen wird. Zur Optimierung des Triebwerks für wissenschaftlichen Missionen wurde der FOTEC und deren Spin-out ENPULSION unlängst ein Auftrag der ESA in Höhe von 2 Millionen Euro zugesprochen.

„FEEP-Treibwerke zeichnen sich durch einen sehr niedrigen Schub von wenigen Mikronewton aus. Damit eignen sie sich ideal für die präzise Steuerung eines Raumfahrzeugs, wie es vor allem für Forschungsmissionen benötigt wird“, erläutert Mühlich die Vorteile solcher Antriebsarten für den Weltraum. Das Triebwerk basiert dabei auf dem LMIS-Konzept (Liquid Metal Ion Source), bei dem flüssiges Metall als Treibstoff verwendet wird. FEEP-Triebwerke ermöglichen es Großsatelliten, ihre Position mit bisher unerreichter Genauigkeit zu steuern und so feine Präzisionsmanöver, wie den Formationsflug wissenschaftlicher Satelliten durchzuführen.

INFObox: FEMtech ist eine Initiative des Förderprogramms Talente des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), welches seit 2005 Auszeichnungen vornimmt, um die Leistungen von Frauen im Forschungs- und Technologiebereich besser sichtbar zu machen.

Dazu steigt auch der Bedarf an Antriebssystemen für Mikro- und Nanosatelliten weiter kräftig an. FEEP-Triebwerke sind auch für diesen Einsatz prädestiniert und werden bei FOTEC entsprechend weiterentwickelt. Für kleine Satelliten kann die Missionsdauer durch kontinuierliche Kompensation der atmosphärischen Bremsung und durch die hohe Treibstoffeffizienz ihrer Antriebe besonders erhöht werden.

Strahlcharakteristika entscheidend

Was zur Weiterentwicklung dieser Art Antriebe nötig ist, erklärt Mühlich folgendermaßen: „Es ist wichtig den Ionenstrahl des Triebwerks besser zu verstehen, um zum einen den Schub effizienter einsetzen zu können, zum anderen, um den Divergenzwinkel anzupassen, damit Wechselwirkungen mit dem Raumfahrzeug möglichst verhindert werden können.“ Aufgrund solcher Wechselwirkungen könnten Solarpaneele oder elektrische Instrumente an Bord des Raumfahrzugs beschädigt oder zerstört werden. Bisher gäbe es jedoch nur wenige Untersuchungen zum Aufbau und Verhalten des Triebwerkstrahls, damit ein solches Fiasko vermieden werden kann.

 

„Zur experimentellen Untersuchung des Triebwerkstrahls habe ich im Rahmen des ‚ESA Artes IFM Nano‘-Projekts dazu beigetragen, ein Strahldiagnostiksystem aufzubauen und war für die Designentwicklung, Modellierung und den Test eines Gegenfeldanalysators verantwortlich“. Dieser wurde bei der diesjährigen „International Electric Propulsion Conference“ (IEPC) in Wien zum ersten Mal vorgestellt. Es ist gleichzeitig Mühlichs Dissertationsarbeit, welche weitere Ergebnisse zum Thema liefern wird. Mit diesem System können beispielsweise die Ionenstromdichteverteilung und die Energie der Teilchen im Strahl vermessen werden.

FEEP-Triebwerke könnten sich schon bald auf Welttraum-Missionen bezahlt machen, bei denen eine feinste Positionierung erforderlich ist, wie auch bei der für 2034 geplanten ESA-Mission LISA zur Messung von Gravitationswellen oder zur präzisen Positionskontrolle eines Raumfahrzeugs zur Kompensation von Widerstandskräften in der Erdumlaufbahn. Unterschiedliche Missionen, die jeweils auch ganz verschiedene Anforderungen an das Antriebssystem stellen. Laut Mühlich müssen daher für jede Mission die Triebwerkseigenschaften wie Geometrie oder Strahlcharakteristik angepasst werden, um diese Anforderungen zu erfüllen. Über ihr Simulationsmodell sollen so Triebwerkseigenschaften optimal angepasst und Strahleigenschaften bereits im Vorfeld bestmöglich berechnet werden.

WORDRAP mit Nina Sarah Mühlich:

  • Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
    Mit meinem Dreirad, welches ich zum Perpetuum Mobile umbauen wollte.
  • Mein Lieblingsfach in der Schule war:
    Chemie, bei einem Lehrer, der mein Potential erkannt und mich gefördert hat.
  • Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
    Ich würde mich wieder für Physik entschieden.
  • Mein Vorbild ist:
    Eine Person, die ihre Träume erfüllt, ohne das Gefühl zu haben, sich beweisen zu müssen.
  • Was ich gerne erfinden würde:
    Ein Raumfahrzeug, welches so stabil und unglaublich schnell ist, um sämtliche möglichen Himmelskörper zu bereisen.
  • Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
    … gäbe es viele zusätzliche Blickwinkel, die die Technik schneller und innovativer voranbringen würden.
  • Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
    …. dann zeigt es jüngeren Frauen, dass sie die gleichen Chancen haben wie ihre männlichen Kollegen.
  • Was verbinden Sie mit Innovation:   
    Dinge, die die Welt verändern.
  • Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig: 
    Damit es Forschern ermöglicht wird, ihre Ideen in Österreich umzusetzen.
  • Meine Leseempfehlung lautet:
    Der kleine Prinz, der von Planet zu Planet reist und nicht verstehen kann, warum „die großen Leute“ nur mit sich selbst beschäftigt sind.
Frauen in Forschung und Technologie: Mit der Initiative FEMtech fördert das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) Frauen in Forschung und Technologie und schafft Chancengleichheit in der industriellen und außeruniversitären Forschung. Unter ,Chancengleichheit werden in diesem Zusammenhang ,,gleiche Rahmenbedingungen und Erfolgschancen für Frauen und Männer in Forschung und Technologie“ verstanden. FEMtech wird derzeit einem Re-Launch unterzogen und neu fokussiert. Ziel von FEMtech ist es, noch stärker den Unternehmensbereich sowie Fachfrauen aus den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation anzusprechen. In dieser Übergangszeit werden wir trotzdem dafür sorgen, dass Sie eine monatliche Expertin und relevante News zur Initiative präsentiert bekommen.