Kategorie Innovation & Technologie - 31. Mai 2015

Erdvermessung über fremde Galaxien

Viele Himmelskörper senden neben sichtbarem Licht auch Radiowellen aus. Das macht sich die Erdvermessung zunutze: Die Radioquellen im All gelten als sehr stabile Referenzpunkte. Die Geodäten – so der Fachbegriff für die Erdvermesser – berechnen mithilfe sensibler Radioteleskope und auf Grundlagen der „Radiointerferometrie“, wie weit zwei Objekte auf der Erde auseinanderliegen, wie sich Erdplatten zueinander verschieben und wie schnell sich die Erde dreht. „Ziel ist, ein möglichst genaues Koordinatensystem für unseren Planeten zu erstellen. Heute geht das auf einige Zentimeter bis Millimeter genau. So werden auch Meeresspiegelschwankungen erfassbar“, sagt Lucia Plank. Die Initiative „Femtech“ des Infrastrukturministeriums hat die Geodätin als Expertin des Monats ausgezeichnet.

Plank erstellt Computermodelle für die genaue Erdabbildung. Dafür untersucht sie auch die Radioquellen in Milliarden von Lichtjahren Entfernung: sogenannte Quasare. Das sind Galaxien mit Schwarzen Löchern in ihrem Zentrum. Die Zutaten für die Kalkulation der Geodäten: „Wir nehmen mindestens zwei Radioteleskope. Mit ihnen messen wir die Strahlung der extragalaktischen Schwarzen Löcher. Wir bestimmen dann den unterschiedlichen Empfangszeitpunkt der Strahlung bei den Teleskopen. Damit können wir die genaue Position dieser Quelle und gleichzeitig die Distanz zwischen unseren Messstationen errechnen.“

Rund 50 Radioteleskope für die Geodäsie gibt es weltweit. Über ihr Netz und ihre Positionsbestimmung entsteht das Koordinatensystem – die Basis, um Veränderungen an der Erdoberfläche zu erheben. Gerade war die Oberösterreicherin noch auf Besuch bei ihrer ehemaligen Arbeitsgruppe an der TU Wien. Nun ist sie auf dem Weg auf die portugiesischen Azoren, zum Jahrestreffen „ihrer“ Forschergemeinde. Planks Arbeitsort ist ein gutes Stück weiter südöstlich: die australische University of Tasmania in Hobart. Ja, sie sei viel unterwegs. Aber die „geodätische Radiointerferometrie“ betreiben nur 300 Wissenschafter weltweit. „Da muss man sich hin und wieder treffen“, sagt Plank.

Zur Geodäsie kam die 30-Jährige über den Tipp „einer aufmerksamen Lehrerin“. Ein Volltreffer: „Was mich so fasziniert: Das Fach kombiniert sehr viel Erdwissenschaft mit angewandter Mathematik und Physik.“ Seit 2014 forscht sie an der australischen Uni. Mit einem Schrödinger-Stipendium vom Wissenschaftsfonds FWF werde sie um zwei Jahre verlängern, bevor sie nach Wien zurückkehrt. Aktuell konzentriert sich Plank auf die Eigenschaften der Radioquellen: „Wir haben jetzt eine Genauigkeit erreicht, wo wir diese nicht mehr als ganz stabil ansehen können. In den Schwarzen Löchern passiert viel, z. B. wird viel Masse angezogen.“ Die Forscherin will erheben, wie diese Veränderungen die Erdmessungen beeinflussen.

Von der Arbeit lenkt sich Plank mit Ballsport ab: Während ihres Studiums war sie Basketballspielerin in der Bundesliga. Später pfiff sie die Spiele der Männer in der obersten Liga. In Australien ist sie noch als Referee aktiv – „aber ich nehme es heute nicht mehr so ernst“. Es sei aber ein „nettes Hobby, um andere Leute kennenzulernen – gerade in einem fremden Land“. (Lena Yadlapalli, 31.5.2015)