Kategorie Innovation & Technologie - 5. Februar 2016

Es fliegt, es fliegt – und landet selbstständig

Die DA42 nähert sich dem Boden, die Klappen an den Tragflächen öffnen sich, das Fahrwerk fährt aus. Dann setzt das viersitzige Kleinflugzeug auf der Landebahn auf. Im Cockpit beruhigt sich der Puls des Piloten langsam wieder. In etwa so könnte es im August in Wiener Neustadt abgelaufen sein. Doch warum war der Pilot an diesem Sommertag nervös? Weil er gar nicht geflogen ist. Seine Aufgabe bestand vielmehr darin, nach Möglichkeit nicht einzugreifen. Das Flugzeug landete völlig eigenständig. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit fand eine Weltpremiere statt.

Der österreichische Flugzeughersteller Diamond Aircraft testete erstmals, wie sich ein Flugzeug autonom, also ohne Einfluss des Menschen, landen lässt. Denn Autopiloten können zwar viel, aber noch nicht alles. Wenn sie übernehmen, ist die Route genau programmiert, Flughöhe und Zielflughafen sind bekannt. Die Landung übernimmt üblicherweise der Mensch. Fällt ein Pilot aus, übernimmt im Linienflugzeug sofort der Kopilot.

In kleinen Sportfliegern sind die Piloten aber allein unterwegs. Wird dem Piloten schlecht oder wird er während des Flugs gar ohnmächtig, bleibt das Flugzeug – und damit auch die Passagiere – sich selbst überlassen. Zwar gibt es Systeme, bei denen sich im Notfall ein Fallschirm öffnet und das Flugzeug daran baumelnd langsam zu Boden sinkt; wo es landet, lässt sich so aber kaum bestimmen. Über bewohntem Gebiet oder in den Bergen kann das für Insassen und Umfeld gefährlich werden.

Merken, wenn Pilot ermüdet

Ziel des knapp drei Jahre dauernden Forschungsprojekts E-Safe war daher ein intelligentes Cockpit zu schaffen: ein weiterentwickeltes Autopilotsystem, das im Notfall eingreift und die Passagiere selbstständig und sicher zu einem geeigneten Flugplatz bringt. „Ist der Notfallmodus aktiviert, sucht der Computer eigenständig nach der geeignetsten Landebahn“, erklärt Christian Dries, Geschäftsführer und Eigentümer von Diamond Aircraft. Von ihm kam auch die Idee zum Projekt – er fliegt selbst seit mehr als 40 Jahren, unter seiner Regie wurden schon zahlreiche Flugzeuge entwickelt.

In einer ersten Ausbaustufe muss der Pilot oder ein Passagier den Notfallmodus noch selbst aktivieren. Weiteres Ziel ist freilich, diesen Schritt zu ersetzen: Ähnlich wie moderne Fahrzeuge am Auge erkennen, das jemand müde ist, könnten die intelligenten Flugzeuge der Zukunft den Piloten und seinen Zustand beobachten.

An Bord des vom Technologieministerium im Luftforschungsprogramm Takeoff unterstützten Projekts waren Wissenschaftler der Uni Stuttgart und der Grazer FH Joanneum. Während die Stuttgarter die Steuerung des Autopiloten weiterentwickelten, berechneten die Grazer verschiedene Szenarien, wie ein Flugzeug Route und Zielflughafen selbstständig wählt.

„Dabei ist der nächste Flughafen nicht immer der geeignetste“, sagt Andreas Hinze vom Luftfahrt-Bereich der FH Joanneum. „Im Notfall landet man etwa lieber in Graz als in Fürstenfeld, dort gibt es die längere Landebahn und die schnellere medizinische Versorgung für den Piloten“, sagt Hinze. Auch er fliegt selbst, war Linienpilot und ist heute Fluglehrer und -prüfer. Daher weiß er um die Bedeutung eines solchen Systems: „Übernimmt ein Laie, kann er meist noch geradeaus fliegen. Bei der ersten Kurve wird es schwierig. Und eine Landung geht selten gut aus“, sagt er. Daher wählt das System auch den kürzesten Weg mit den wenigsten Kurven. Ist der Pilot nicht manövrierfähig, sendet es außerdem den Code 7700 an die Radarstationen: das international gültige Warnsignal für Notfälle, das dafür sorgen soll, dass der Luftraum bei einer Notlandung frei bleibt.

Route in fünf Sekunden klar

Das Unternehmen und die Forscher haben dem System gemeinsam beigebracht, wie es den idealen Flugweg und den geeignetsten Landeplatz findet. Wie das geht? „Die meisten Daten stehen ohnehin zur Verfügung. Daraus lassen sich Anflug und Landung vollautomatisch berechnen und zugleich die Wetterverhältnisse berücksichtigen“, sagt Dries. In maximal fünf Sekunden steht die optimale Route fest.
Die über den Herbst laufenden Tests sind jedenfalls geglückt. „Das Flugzeug hat bewiesen, dass es vollautomatisch landen kann“, so Dries. Das Projekt wurde mit Jahresende abgeschlossen, nun will man in den nächsten 18 bis 24 Monaten daraus ein marktfähiges Produkt machen.

Könnte, was nun bei Kleinflugzeugen funktioniert, auch für die Großen interessant sein? „Fast alle wichtigen Erfindungen wurden zuerst bei Kleinflugzeugen gemacht. Obwohl sie dann Eingang in die große Flugzeuge fanden“, sagt Dries. (von Alice Grancy, Die Presse, 6.2.2016)