Kategorie Energie - 27. Mai 2020

Internationaler Prüfbericht stellt Österreich gutes Zeugnis puncto Energiepolitik aus

Tiefenprüfungsbericht der Internationalen Energieagentur für Österreich vorgestellt: Konjunkturmaßnahmen sollten als Chance für klimafreundliche Wirtschaft & eine erfolgreiche Energiewende genutzt werden.

Die Internationale Energieagentur stellt Österreich ein gutes Zeugnis für seine Energie- und Technologiepolitik aus. Um wie geplant 10 Jahre früher als von der EU verlangt CO2 -Neutralität zu erreichen, müssten jedoch die Anstrengungen in allen Bereichen des Energiesystems verstärkt werden. Eine der vorrangigen Empfehlungen: Die angekündigten Konjunkturmaßnahmen in Folge der Coronakrise müssten Investitionen in Klimaschutz und Energiewende berücksichtigen.

Jedes IEA‑Mitgliedsland wird etwa alle fünf bis sechs Jahre auf seine energie- und technologie­politi­schen Zielsetzungen und Maßnahmen in Form eines sogenannten In-Depth-Reviews evaluiert. Der Prüfbericht “Energy Policies of IEA Countries – Austria 2019 Review” wurde am gestrigen Dienstag, 26. Mai 2020, von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und IEA Exekutivdirektor Fatih Birol den beteiligten Institutionen sowie den Medien vorstellt.

Eine solche Tiefenprüfung erfolgt durch ein internationales Team von Prüfenden. Jene aktuelle für Österreich fand im Mai 2019 statt. Der nun vorliegende Bericht enthält detaillierte Bewertungen und Empfehlungen für die österreichische Energie- und Klimapolitik.

Nachhaltiges Konjunkturprogramm

Die IEA lobt darin die Anstrengungen Österreichs, seine ambitionierten Energie- und Klimaziele zu erreichen. „Ich freue mich, dass Österreich bereits jetzt den dritthöchsten Anteil an erneuerbarem Strom unter den IEA-Mitgliedsländern hat“, so die für den Energiebereich zuständige Klimaschutzministerin Gewessler. „Der weitere Ausbau erneuerbarer Energien im Strom- und Gasbereich sind wichtige Eckpfeiler für ein klimaneutrales Energiesystem und ein wesentlicher Motor für ein grünes Konjunkturprogramm.“

© apa

Während des Medienbriefings mahnte Fatih Birol allerdings, dass weitere Anstrengungen zur Dekarbonisierung notwendig sind, um das Ziel der Klimaneutralität in Österreich bis 2040 zu erreichen. Er erinnerte beispielsweise daran, dass seit 2014 die CO2 -Emissionen in Österreich sogar gestiegen seien. Treibende Kraft dieser Entwicklung war vor allem der Energieverbrauch in Gebäuden und im Verkehr. Gerade in erstem Bereich hätte Österreich viel Potenzial, um den Gebäudebestand energieeffizienter zu gestalten, da ein großer Teil sehr alt sei.

Forschungskooperation Internationale Energieagentur: Österreich beteiligt sich als Gründungsmitglied seit Anbeginn aktiv an den Technology Collaboration Programms (TCPs) der IEA. Diese stellen eine wichtige Ergänzung zur österreichischen Energieforschung dar und spiegeln sich auch in den nationalen Schwerpunktsetzungen wider. Im Fokus des Programms steht daher, die österreichische Teilnahme an den Forschungsaktivitäten der IEA zu gewährleisten und die Verbreitung der erarbeiteten Ergebnisse und die Netzwerkaktivitäten zu ermöglichen.

Vor allem das geplante COVID-19-Konjunkturpaket mit den Coronahilfen für Österreich sollte als Chance für den Aufbau einer klimafreundlichen Wirtschaft genützt werden. Investitionen in erneuerbare Energien und grüne Technologien könnten sich so abermals als Konjunkturmotor erweisen, der Umstieg auf saubere Energieträger und deren Ausbau zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen.

»Austria has impressive capacities for innovation & is an international best practice case.«

„Österreich ist von der IEA als ‚strong innovator‘ einstuft worden. Technologie und Innovation sind das Rückgrat einer erfolgreichen Energiewende. Deshalb werde ich die Investitionen in diesem Bereich deutlich verstärken“ so Gewessler. „Vor allem im Bereich erneuerbarer Wasserstoff ist Österreich zur Zeit Vorreiter, eine Rolle die wir beibehalten und ausbauen wollen“, so Gewessler. Die enge Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zur Umsetzung innovativer Demonstrationsprojekte zur Verwendung von Wasserstoff in Industrie und Verkehr wird von der IEA als Best-Practice-Beispiel hervorgehoben.

Begrüßt werden von der IEA dementsprechend auch die Pläne der österreichischen Regierung, aus Öl- und Kohleheizungen bis 2035 auszusteigen. Der Ausstieg aus der fossilen Wärme- und Stromgewinnung wurde erst im April dieses Jahres untermauert, als das letzte Kohlekraftwerk Österreichs vom Netz ging. Lob erhielt von der IEA auch das Bekenntnis zu einer umfassenden ökologischen Steuerreform, die Kostenwahrheit für CO2 in jenen Sektoren bringen soll, die vom Emissionshandel der EU nicht umfasst werden.

Insbesondere verweist die IEA auch auf die positive Wertschöpfungseffekte durch eine hohe Beteiligung von Unternehmen an der Energieforschung. Der Klima- und Energiefonds hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Österreich rund 150 Millionen Euro in den vergangenen Jahren durchschnittlich per anno in die öffentliche Energieforschung investiert, um sich damit für eine nachhaltige Zukunft zu rüsten – sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht.

Der Klima- und Energiefonds wurde als One-Stop-Shop 2007 durch die österreichische Bundesregierung ins Leben gerufen. Er begleitet als einzige Organisation in Österreich den gesamten Innovationsprozess von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung in den Themenfeldern Klima, Energie und Mobilität. Eigentümer ist die Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK).

Damit liege das Land im oberen Mittelfeld der insgesamt 30 Mitgliedstaaten der IEA. Laut aktuellem IEA-Länderbericht sind insbesondere die regionalen Wertschöpfungseffekte der Energieforschung sehr hoch: Für jeden öffentlichen Fördereuro wurden durchschnittlich 2,5 Euro zusätzlich von der Privatwirtschaft investiert.

„Die Energiewende braucht Innovation!“ hebt Gewessler daher die gemeinsame Arbeit auf diesem Gebiet mit dem Klima- und Energiefonds hervor, um die Klimaziele zu erreichen. Gerade jetzt würden wir sehen, „dass Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren nicht nur für wirkungsvollen Klimaschutz sorgen, sie schaffen auch Jobs und sichern unsere Versorgung.“

„Als One-Stop-Shop entlang des gesamten Innovationsprozesses ist der Klima- und Energiefonds ein Eckpfeiler der heimischen Energieforschung“, so Klima- und Energiefonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel, die durch die erneute positive Evaluierung der IEA den Kurs der Bundesregierung und des Klimafonds bestätigt sieht. „Auf der Basis der Empfehlungen werden wir gemeinsam mit dem BMK unser Angebot weiterentwickeln und ausbauen, um die Energiewende mit Innovationen aus Österreich rasch voranzutreiben.“

Auch für den Klima- und Energiefonds gibt es durch die IEA eine klare Empfehlung: eine den ambitionierten Klima- und Energiezielen der Bundesregierung entsprechende Dotierung und Mehrjahresbudgets, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Hintergrund

Die Internationale Energieagentur (IEA) ist eine unabhängige Organisation, die sich für sichere und saubere Energie in ihren 30 Mitgliedsstaaten und darüber hinaus einsetzt. Ursprünglich als Reaktion auf die Ölkrise 1973 wurde im Jahr darauf die Internationale Energieagentur (IEA) als autonome Einheit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz in Paris eingerichtet, wo sie sich seitdem angesichts globaler Interdependenzen auf dem Energiemarkt für internationale Kooperation und Dialog einsetzt. Österreich ist einer der 16 Gründungsstaaten. Mittlerweile hat die IEA 30 Mitglieder.

Seit gestern ist auch die neue Ausgabe des Energy Innovation Austria Magazins über Österreichs Engagement in der IEA und den Beteiligungen an IEA Forschungskooperationen online.

 


 

Weiterlesen: Die IEA hat mit dem Prüfbericht konkrete Empfehlungen zur strategischen Weiterentwicklung der öffentlich finanzierten Energieforschung in Österreich nach Themenfeldern geordnet:

Treibhausgasemissionen

Österreich hat sich verpflichtet seine Treibhausgasemission bis 2020 um 16 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren (Europäisches Emissionshandelssystems ETS), seit 2016 steigen die Emission jedoch wieder signifikant, was vor allem auf den Verkehrssektor zurückzuführen ist. Für 2030 hat sich Österreich verpflichtet seine Emissionen um 36 Prozent zu reduzieren. Die IEA schätzt, dass Österreich nur 27 Prozent erreichen könnte, wenn die Anstrengungen nicht deutlich erhöht werden.

Österreich hat sich mit dem Regierungsprogramm 2020-2024 ein weiteres ambitioniertes Ziel, der C02-Neutralität im Jahr 2040, gesetzt. Die integrierte Österreichische Klima- und Energiestrategie #mission2030, sowie der Nationale Energie- und Klimaplan für Österreich (NEKP) zur Umsetzung dieser bis 2030 liegen bereits vor. Darin vorgesehene Maßnahmen wie ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen (auf Bundes und Landesebene) werden von der IEA als wichtig eingeschätzt. Die österreichische Bundesregierung plant einen Ausstieg aus Kohle und Ölheizungssystemen bis 2035 und eine eingeschränkte Nutzung von Gas im Neubau ab 2025. Im Transportbereich schätzt die IEA, dass durch den Tanktourismus derzeit zusätzlich fünf Millionen Tonnen C02 in Nicht-ETS-Emissionen für Österreich entstehen. Die vorgesehene umfassende ökologische Steuerreform könnte laut IEA dazu beitragen, eine Trendumkehr bei den Treibhausgasemissionen einzuleiten.

Erneuerbare Energie

Die Rolle des Stroms im Energiemix wird gemäß NEKP ansteigen. Derzeit stammen rund 75 Prozent des Stroms aus Erneuerbarer Energie (davon 85 Prozent Wasserkraft). Umso wichtiger ist es, den Anteil variablen erneuerbaren Stroms und sowie die Speicherkapazitäten signifikant zu erhöhen. Österreich hat sich mit der #mission2030 zum Ziel gesetzt, 100 Prozent erneuerbare Stromproduktion im Jahr 2030 (national bilanziert) zu erreichen. Das bedeutet ein Nettozuwachs von 22-27 TWH (vorwiegend Solar PV, Wind und 5 TWH Kleinwasserkraft). Die Marktdiffusion bei Wind und Photovoltaik ist seit dem letzten Prüfbericht gestiegen, Österreich setzte dabei auf garantierte Einspeisetarife als Förderinstrument. Die IEA schätzt die 2020 Ziele Österreichs, 34 Prozent Erneuerbare im Endenergieverbrauch und 10 Prozent im Transportbereich als erreichbar ein.

Koordination Bund-Bundesländer

Die Kompetenz für das Energiethema liegt in der Bundeskompetenz, nunmehr in einem sehr umfassenden Ministerium, welches für Umwelt, Klimaschutz, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zuständig ist. Dennoch fallen für den Energiesektor wichtige Politiken in die Kompetenz der Bundesländer (z.B. Flächenwidmung, Genehmigungen für Infrastrukturprojekte, Gebäudenormen). Eine verstärkte Koordinierung wird daher von der IEA angeregt.

Energieversorgungssicherheit

Österreich verfügt über die von der IEA geforderten Öl- und Gasreserven. Die Energietransition wird neue Parameter zur Bewertung der Energiesicherheit erfordern (flexible Energiesysteme, Speicher, Demand-Side Mangement, Prosumer). Die Gasinfrastruktur zur Speicherung von Erneuerbarer Energie zu nutzen (Greening the Gas) wird von der IEA als sinnvoll erachtet.

Forschung, Technologie, Innovation

Die IEA reiht Österreich in die Gruppe der „strong innovators“ im Bereich Energieforschung ein. Österreich investiert jährlich rund 0,04 Prozent des BIP in die Energieforschung und liegt damit auf Platz 9 im IEA Länderranking. Die Schwerpunkte liegen gemäß IEA-Kategorien auf Energieeffizienz (Gebäude, Industrie, Verkehr & Mobilität), Erneuerbare (wie Solar, Bioenergie, Wasserstoff) und Übertragung/Speicherung (Smart Grids, Energiespeicher und dergleichen). Der Integrierte Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) und das Bekenntnis Österreichs in der globalen Initiative Mission Innovation sehen eine deutliche, sukzessive Steigerung der öffentlichen Energieforschungs­mittel bis 2030 vor.

Die IEA würdigt die sehr gut etablierte institutionelle Verankerung (Ministerien, Klima- und Energiefonds, FFG etc.) und Förderungsrahmenbedingungen für FTI in Österreich. Der im Rahmen der Energieforschungs- und Innovationsstrategie verfolgte systemische Ansatz sowie die Berücksichtigung des gesamten Innovationsprozesses von der Forschung bis hin zum Markt wird als Erfolgsfaktor bewertet. Die IEA schätzt das Engagement Österreichs bei internationaler Zusammenarbeit (Europäisches Forschungsrahmenprogramm, IEA, Mission Innovation) und die vorbildlichen Verbreitungsaktivitäten von Forschungsergebnissen. Sie lobt die starke Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Akteuren in Forschung und Entwicklung. Für jeden öffentlichen Fördereuro wurden durchschnittlich 2,5 Euro zusätzlich von der Privatwirtschaft in die Energieforschung investiert.

IEA-Empfehlungen für den FTI Bereich:

  • Die Budgetierung des Klima– und Energiefonds an die ambitionierten Klima und Energieziele anpassen
  • Eine Umstellung auf Mehrjahresbudgets für Forschung, um die Planungssicherheit für Förder­nehmer zu erhöhen
  • Bessere Integration von F&E und Markteinführungsprogrammen, um Energietechnologien schneller marktreif zu machen. Dafür innovative Förderinstrumente wie innovationsfördernde öffentliche Beschaffung, regulative Experimentierzonen weiterentwickeln.
  • Sicherstellen, dass in jeder Phase der Technologieentwicklung – von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung – ausreichend Fördergelder vorhanden sind, wobei der Fokus auf Innovation liegen sollte.
  • Dissemination und Informationsverbreitung von F&E-Ergebnissen weiter ausbauen
  • Aktivitäten im Bereich kohlenstoffarmer Energieinnovationen der Privatwirtschaft in Schlüssel­the­­men intensivieren (z.B. im Bereich Wasserstoff)
  • Die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Energieforschung fortführen und weiter ausbauen (EU, IEA, Mission Innovation)

Weitere Schlüsselempfehlungen:

  • Ein nachhaltiges Konjunkturprogramm gestalten, um die Ziele des Regierungsprogramms 2020 – 2024 zu erreichen
  • Richtlinien für Gebäudestandards verschärfen und österreichweit harmonisieren, um Energieeffizienz im Gebäudesektor zu steigern
  • Stärkere Preisanreize zur Senkung der CO2 Intensität des Energieverbrauchs
  • Sicherstellen, dass die Energietransition sozial-ökonomisch verträglich ist