Kategorie Innovation & Technologie - 23. Oktober 2015

Köstendorfs Stromnetz wird nun noch intelligenter

Dicke Regenwolken über der Fotovoltaik-Anlage (PV) und Flaute um den Windpark. Diese Wetterlagen dienen Kritikern alternativer Energien als Totschlagargument. Schließlich will Wäsche auch dann gewaschen werden, wenn es gerade weder Sonne noch Wind zur Stromproduktion gibt. Umgekehrt scheint die Sonne meist dann am kräftigsten, wenn kein Mensch zu Hause ist, der waschen könnte: in der Mittagszeit.

Eine mögliche Lösung des Problems zeigt die Modellgemeinde Köstendorf bei Salzburg. Zumindest in den Augen des Stromnetzbetreibers Salzburg Netz. Dieser hat einen Teil der Ortschaft bereits im Frühjahr 2013 zur Smart-Grids-Modellgemeinde erhoben. Jetzt soll das zu Projektbeginn installierte intelligente Stromnetz um eine Reihe vielversprechender Neuerungen erweitert werden. Seit Beginn sorgt das mitdenkende Netz für die bedarfsgerechte Umverteilung des PV-Stroms, der auf jedem zweiten Dach der Modellgemeinde erzeugt wird. Also etwa weg vom Einfamilienhaus mit der zur Mittagszeit ruhenden Waschmaschine, hin zum Getränkehändler ums Eck, dessen Kühlaggregate zur selben Zeit auf Hochtouren laufen.

Nun wird in Köstendorf auch das Thema Speicherung großgeschrieben. Sprich: Findet sich in der prallen Mittagssonne partout kein Abnehmer für den PV-Strom, dann landet er in Form von erhitztem Wasser im Fernwärme- oder als Wasserstoff im Gasnetz. Die Prinzipien Power-to-Heat (Strom zu Wärme) und Power-to-Gas (Strom zu Gas) machen aus dem Stromnetz ein flexibles Hybridnetz, das die Gesamt-CO2-Bilanz aufpeppt.

Erneuerbare Energie günstiger

Sogenannte Smart-Grids-Technologien sollen den Umstieg auf erneuerbare Technologien um bis zu 50 Prozent günstiger machen als bei einem konventionellen Netzausbau. „Die bevorstehende Energiewende ist nicht bloß der Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien, sondern bedeutet einen richtigen Systemwechsel: Künftig geht es darum, alle Teilnehmer im Energiesystem, also Erzeuger, Kunden und Speicher, intelligent zu vernetzen“, sagt Michael Strebl, Geschäftsführer bei Salzburg Netz.

Dazu ist die Erweiterung des Stromnetzes um Kommunikationstechnologien wesentlich. Schließlich muss die Information, dass das Kühlhaus des Getränkehändlers gerade viel Energie braucht, zum Nachbarhaus gelangen, damit dieses nicht auf seinem PV-Strom sitzen bleibt.

Und wenn Datenverkehr schon einmal möglich wird, warum nicht gleich alle Möglichkeiten ausschöpfen? Strebl prophezeit, dass etwa von einem Stromausfall betroffene Verbraucher künftig per automatisch versendeten SMS über den Stand der Reparaturarbeiten auf dem Laufenden gehalten werden. Genauso sollen die Reparaturteams des Netzbetreibers gleich am Einsatzort per Tablet-PC sehen, wenn ein Haushalt noch immer keinen Strom hat.

Der Daten-Hub, der die Kommunikation revolutionieren soll, wird auch für Dritte offen sein. So könnte etwa ein Gastronom Gäste mit Reservierung bei Stromausfall in eine nicht betroffene Filiale lotsen. In Köstendorf probt der Netzbetreiber jedenfalls seine Verwandlung vom reinen Transporteur zum digitalen Plattform-Provider. „Wir wollen der ganzen Welt zeigen: Das geht“, so Strebl. (Von Timo Küntzle, Die Presse)