Kategorie Innovation & Technologie - 19. Oktober 2018

Lichtquelle mit Ohren

Meist passiert es zwischen fünf und sieben Uhr früh. „Die ersten Sonnenstrahlen bescheren mir die besten Geistesblitze“, erzählt Bernhard Schrenk. Der 36-Jährige leitet den Fachbereich Photonik am AIT Austrian Institute of Technology, Österreichs größter außeruniversitärer Forschungseinrichtung für Infrastrukturthemen der Zukunft. Dass ihm das frühe Morgenlicht des Öfteren wissenschaftliche Inspiration bringt, ist eine nette Analogie, denn der Schwerpunkt seiner Forschung ist die Nutzung von Licht.

Die mit Lichtimpulsen arbeitende Photonik nennt man nicht umsonst eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts: Ohne sie gäbe es weder das Datenlesegerät an der Supermarktkassa noch das Smartphone noch die Lasermedizin. Doch längst nicht alle Möglichkeiten sind ausgelotet. Schrenk konzentriert sich insbesondere auf Anwendungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Immer auf derselben Wellenlänge

„Setzt man statt Elektronen Lichtteilchen, also Photonen, zur Signalübertragung ein, ist das so, wie wenn man per Flugzeug den Globus umrundet statt mit dem Auto“, veranschaulicht er. „Man ist nicht nur unterbrechungsfrei und schneller, sondern auch energie- und kosteneffizienter unterwegs.“ Allerdings könne man zwischendurch nicht aussteigen und sei weniger flexibel als der Autofahrer.

 

In der Nachrichtentechnik sei es ähnlich: Zwar können Lichtwellen Informationen durch haardünne Glasfasern in Echtzeit und mit wenig Energieaufwand zwischen den Kontinenten hin- und herleiten. Sobald es aber um eine hohe Dichte an Funktionen in kleinstem Maßstab gehe, werde es schwierig.

„Am Computer kann man noch nicht einmal einfache Rechenoperationen auf einem optischen Level, sprich mittels Lichttechnologie, ausführen.“ Allerdings kratzen die zahllosen digitalen Rechen- und Speicherprozesse in den großen Datenzentren des Internets bereits an der Zehnprozentmarke des weltweiten Energieverbrauchs. „Die Wissenschaft interessiert sich daher sehr dafür, photonische Alternativen für unsere alltagsüblichen elektronischen Geräte zu finden.“

Ein Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) ermöglicht es Schrenk nun, eine neue Methode zu erforschen, mit der sich unabhängige Lichtsignale selbst bei sehr hohen Trägerfrequenzen präzise aufeinander abstimmen lassen, um stets auf derselben Wellenlänge zu sein. „Was im Funk selbstverständlich ist, ist in der mit viel höherfrequenten Lichtquellen arbeitenden Photonik wesentlich komplexer.“

So möchte er einer Lichtquelle quasi „Ohren verleihen, um einfallende Signale wahrzunehmen und die eigene Emission daran anzupassen“. Im Vorfeld der ERC-Bewerbung erbrachte er einen Machbarkeitsnachweis seines rein optischen Ansatzes, der keinen energieverschlingenden digitalen Signalabgleich benötigt. Diese Arbeit wurde heuer bei der weltgrößten einschlägigen Fachkonferenz, der OFC in San Diego, unter 800 Beiträgen unter die Top drei gereiht.

Spielwiese mit Lasern & Strahlteilern

„Das Labor ist für mich eine große Spielwiese“, berichtet Schrenk. „Nur dass es eben mit Lasern, Spiegeln, Strahlteilern, Photodetektoren und dergleichen bestückt ist.“ Von Jugend an ist er auch privat ein begeisterter Elektronik- und Funkbastler. „Das liegt an meinem begnadeten und mit seinen tollen Experimenten höchst inspirierenden Physik- und Chemielehrer in der Hauptschule“, sagt er. Die Erfahrungen jener Zeit haben letztlich bewirkt, dass er an der TU Wien Elektrotechnik studierte.

Im Zuge seiner Masterarbeit wirkte er 2007 unter der Leitung von Anton Zeilinger an der ersten Netzwerkdemonstration eines auf verschränkten Photonen basierenden Quantenschlüsselverteilsystems mit. Auf das Doktorat in Barcelona folgte ein Postdoc-Jahr in Athen. „Da es dort so gut wie keine staatlichen Mittel für Forschung gibt, war das eine Meisterschmiede für Projektanträge um EU-Förderungen.“

Um als Forscher zu wachsen, brauche es unabhängige Finanzierung. Auch wenn die Industrie mit höheren Gehältern und topausgestatteten Laboren locke: „Das ist vorgegebene Arbeit in kleinen Schritten. Umwälzende Entdeckungen kommen nur aus der freien Forschung.“

Gleichzeitig Senden & Empfangen

Mit Schrenks rein optischen Ansatz, der die Schwächen elektronischer Methoden vermeidet, können nun Signale direkt auf optischer Ebene synchronisiert werden. Selbst bei extrem hohen Trägerfrequenzen im Bereich um die 190 Terahertz kommt es zu keinen Frequenzabweichungen.

Da die Informationsübertragung ohne zusätzliche Korrekturen auskommt, ist keine energiehungrige digitale Signalverarbeitung erforderlich, die noch dazu einiges an Bandbreite benötigen würde. Das erhöht die Energieeffizienz deutlich.

Schrenk geht aber noch einen Schritt weiter in Richtung einer photonischen Kommunikationstechnologie, die nicht an eine bestimmte Transmissionsrichtung gebunden ist. Sie kann also simultan senden und empfangen. „Das ist ähnlich, als würde man mit dem Mund auch gleichzeitig hören können – sogar besser als mit dem Ohr“, erklärt Schrenk.

Diese bahnbrechenden Innovationen helfen nicht nur in klassischen und drahtlosen Telekommunikationsnetzen. Auch Cloud-Datenzentren und High-Performance Computing würden davon profitieren. Die innovative Umsetzung von elektrischen und optischen Signalen bei gleichzeitiger Bewahrung der Signalintegrität ohne weitere digitale Verarbeitung ist aber ebenso für punktgenaue Sensorik von Bedeutung, wie etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur.

Bernhard Schrenk konnte bereits Anfang dieses Jahres große Anerkennung erzielen:  Es gelang ihm die weltweit erste Demonstration einer einfachen Laser-Lichtquelle, die einen Datenstrom von 10 Gigabite pro Sekunde gleichzeitig senden und empfangen kann.

Bei der OFC Conference (Optical Fiber Communication Conference and Exposition) in San Diego mit mehr als 15.000 Teilnehmern landete das Experiment als bester Beitrag zu opto-elektronischen Systemen für optische Telekommunikation unter den Top 3 der insgesamt 800 wissenschaftlichen Beiträge.

Von Uschi Sorz

ZUR PERSON: Bernhard Schrenk (36) studierte Elektrotechnik an der TU Wien und machte seinen Master in der Gruppe um Anton Zeilinger im Bereich der Quantenkryptografie. Im Doktoratsstudium in Barcelona befasste er sich von 2007 bis 2011 mit der optischen Telekommunikation und meldete vier Patente an. Der Weinviertler war ein Jahr Postdoc in Athen und forscht seit 2013 am AIT Austrian Institute of Technology im Center for Digital Safety & Security.