Kategorie Innovation & Technologie - 13. Februar 2019

Mikrochips unter der Nanolupe

Ob Kühlschränke, Waschmaschinen oder Fernseher – im Zeitalter der smarten Geräte und des Internets der Dinge gibt es kaum ein strombetriebenes Alltagsgerät mehr, das ohne die Halbleitertechnik von Mikroprozessoren auskommt. Allen voran natürlich die Smartphones, tragbare Minicomputer, unter deren Gehäuse jeder Millimeter für die siliziumbasierten Bauteile ausgenutzt wird.

 

Falsche Stelle im Kristall

Möglich wurde das durch den rasanten Fortschritt, den die Elektronik in den letzten Jahrzehnten erfahren hat – immer mehr Transistoren, die Grundeinheit jedes Mikrochips, finden auf immer kleinerem Raum Platz. Knapp anderthalb Milliarden davon sind in modernen Computerchips auf einer Fläche von weniger als zwei Quadratzentimetern verbaut. Jeder einzelne ist nur mehr wenige Dutzend Nanometer groß – um ein Vielfaches kleiner als die Wellenlänge von kurzwelligem blauen Licht. Es verwundert also kaum, dass sich bei der Herstellung der Prozessoren aus Halbleitermaterialien wie Silizium Defekte bereits auf atomarer Ebene bemerkbar machen.

Um die Auswirkungen solcher Fehler besser zu verstehen und bei künftigen Generationen von Mikrochips zu vermeiden, wurde kürzlich ein neues Christian-Doppler-Labor an der TU Wien eröffnet. Wissenschaftler um den Mikroelektroniker und Laborleiter Michael Waltl wollen einzelne Atome identifizieren, die sich nicht perfekt in die regelmäßige Kristallstruktur des Siliziums einordnen. Solche Materialfehler können das elektrische Verhalten der winzigen Bauteile entscheidend verändern: Die defekten Stellen im Material fangen Elektronen ein und geben sie zu einem späteren Zeitpunkt unkontrolliert wieder ab, was den Stromfluss der Transistoren empfindlich stört.

Für das neue Labor sei eine spezielle Methode entwickelt worden, mit der man einzelne Defekte in Transistoren exakt messen könne, ohne die Struktur des Bauteils dabei wesentlich zu verändern, erklärt Waltl. „Wir können durch zusätzliche Kontakte beeinflussen, welchen Pfad der elektrische Strom im Transistor nehmen soll. Damit können wir gezielt austesten, wo sich die einzelnen Defekt befinden und wie sich Materialfehler auf die Funktionsweise der Bauelemente auswirken.“ Bei größeren Transistoren ließen sich bisher nur die Überlagerungen vieler Defekte statistisch untersuchen. Mit der neuen Methode aus Waltls Labor sollen diese Überlagerungen nun seziert und einzeln beobachtet werden. Auch besonders kleine Transistoren will er damit untersuchen – hier ist die Anzahl an Defekten ohnehin überschaubar.

Theorie und Praxis vereint

Die experimentellen Messungen allein genügen Waltl und seinem Team für ihre Forschung jedoch nicht: Mit aufwendigen Computersimulationen wollen die Wissenschaftler berechnen, wie sich die neuen Erkenntnisse über das Verhalten elektronischer Bauteile in der Praxis umsetzen lassen. „Experiment, Theorie und Simulation greifen bei uns nahtlos ineinander“, so Waltl. „Das ist ein großer Pluspunkt in unserer Forschungsgruppe. Da wir alle drei Bereiche im selben Labor vereinen, können wir viele Fragestellungen viel effizienter untersuchen als andere Forschungsgruppen.“

Wolfgang Däuble, Die Presse