Kategorie Innovation & Technologie - 24. Juni 2016

Mit der vollen Ladung Natur

Wien – Akkus sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Handy, Tablet, Laptop, Kamera – je länger der Akku hält, desto besser. Was viele nicht wissen: In allen Geräten steckt der gleiche Batterietyp, die sogenannte Lithium-Ionen-Batterie. Seit Sony sie 1991 auf den Markt gebracht hat, hat das kleine Kraftpaket Geschichte geschrieben. Mehr als vier Milliarden dieser Batterien wurden 2015 verbaut – und der Markt boomt weiter.

So sehr, dass nun nach Alternativen gesucht werden muss. Denn in Zukunft wird der Bedarf an Batterien noch steigen: Die Nachfrage nach Elektroautos etwa nimmt zu. Als der amerikanische Hersteller Tesla Mitte April sein Model 3 für 35.000 Dollar vorstellte, gingen innerhalb von drei Wochen 400.000 Reservierungen ein. Könnten Elektroautos zu noch erschwinglicheren Preisen gebaut werden, hätten sie vermutlich das Zeug zum „Volkswagen“. Das wiederum hängt auch von der Entwicklung einer langlebigen und vor allem kostengünstigen Batterie ab.

Das Gleiche gilt für Solar- und Windkraftanlagen. Diese produzieren zwar zuverlässig Strom, aber nur wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Um erneuerbare Energien weiter zu befördern, bedarf es also Batterien: „Wir brauchen effiziente und günstige Energiespeicher, die Sonnen- oder Windenergie über einen längeren Zeitraum zwischenspeichern können, um sie bei Bedarf abzugeben“, sagt Petr Novak, Leiter der Sektion Elektrochemische Energiespeicher des Paul-Scherrer-Instituts in Villigen.

Die Lithium-Ionen-Akkus sind für diese zukünftigen Entwicklungen nur bedingt geeignet: Sie sind zu teuer. Lithium (Li) ist zwar keine knappe Ressource im eigentlichen Sinne, das Alkalimetall liegt jedoch fein verteilt in der Erdkruste vor, was den Abbau aufwendig, umweltbelastend und auch kostspielig macht.

Einfachere Gewinnung

Deswegen suchen Wissenschafter schon seit einigen Jahren nach einer preiswerten und auch nachhaltigen Alternative – und haben Natrium (Na) wiederentdeckt, chemisch betrachtet der große Bruder von Lithium. „Natrium kommt überall vor: In Salzwüsten, in unterirdischen Salzstöcken und im Meer in Form von Kochsalz. Die Gewinnung ist viel einfacher als die von Lithium und damit auch deutlich günstiger“, sagt Stefano Passerini vom Helmholtz-Institut Ulm.

Wirklich neu ist die Forschung in diesem Bereich nicht: Sie wurde Ende der 1980er-Jahre fallengelassen, als sich der Siegeszug der Li-Batterie abzeichnete. Kleine Ionen und hohe Energiedichte bedeuteten leichte Batterien mit großer Leistung – bis heute eine ungeschlagene Kombination.

Die Na-Ionen-Batterie gilt als „Drop in“-Technologie, das heißt: Im Prinzip ähnelt sie der Li-Ionen-Batterie, der Herstellungsweg besteht bereits. Was simpel klingt, aber nicht ist: So einfach austauschen lassen sich die Ionen nicht. „Ein Nachteil ist der größere Radius der Na-Ionen sowie ihre langsamere Diffusion“, sagt Katja Fröhlich vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien. Die Unterschiede verändern die Chemie der Batterie, sodass neue, geeignete Materialien für die Na-Batterie entwickelt werden müssen.

Das Team um Passerini experimentiert dabei auch mit Bioabfall – ein purer Zufall führte sie auf diese Spur: Ein Student aus China wunderte sich über die vielen Äpfel, die im Herbst ungenutzt herumliegen – weil sie EU-Standards nicht genügen -, und beschloss, sie als Rohstoff zu nutzen.

Die Forscher trocknen die Früchte, behandeln sie mit Säure und erhitzen sie, um schließlich Kohlenstoffpulver zu erhalten, das sie für die Elektrode der Batterie nutzen. „Viele biologische Abfälle, aber auch nachwachsende Ressourcen könnten als Elektrodenmaterial dienen und damit nachhaltig genutzt werden“, ist Passerini überzeugt. Auch aus Bananen- und Erdnussschalen hat man bereits entsprechende Batteriematerialien gewonnen, und weltweit bemühen sich Forscher, Batterien ohne umweltschädliche Elemente wie Kobalt zu entwickeln. Über 1000 Lade- und Entladezyklen hat die Kohlenstoffelektrode aus Apfelbutzen bei stabiler Leistung bereits überstanden. Li-Ionen-Akkus schaffen bis zu 3000 Zyklen und sind damit langlebiger.

„Die Na-Ionen-Batterie hat eine geringere Energiedichte. Sie wird also bei gleicher Größe nicht die Leistungsfähigkeit der besten Li-Ionen-Batterien erreichen“, sagt Novak, dessen Team auch an Li-Schwefel-Batterien und „anderen Exoten“ arbeitet. „Grundlagenforschung in dem Bereich ist sehr wichtig, man lernt immer dazu. Auch wenn nicht jeder Batterietyp zwangsläufig zu einem Produktschlager wird.“ Eine ähnliche Meinung ist aus dem AIT zu hören. „Die Na-Ionen-Technologie könnte eine Alternative zur Li-Ionen-Technologie darstellen, ist allerdings noch nicht ausgereift“, sagt Fröhlich.

Natrium als Ergänzung

„Natriumbatterien werden Lithiumbatterien nicht ersetzen, aber ergänzen“, sagt Passerini. Dass das Prinzip funktioniert, haben bereits einige Arbeitsgruppen gezeigt: Französische Forscher des CNRS (Centre national de la recherche scientifique) stellten Ende 2015 einen Prototypen vor, Toyota arbeitet an einer Version für Elektroautos, und in England gibt es die Erstversion eines E-Bikes mit einer Na-Ionen-Batterie. Ideal geeignet wären Na-Batterien aber vor allem für den stationären Einsatz rund um Solar- und Windkraftanlagen, weil Größe da keine Rolle spielt. Auch ein langsamerer Ladevorgang aufgrund der schwerfälligeren Ionen ist in dem Bereich vernachlässigbar. Aber selbst für den Einsatz in Elektrofahrzeugen sehen Experten einen Markt: Zwar werden Autos mit einer Na-Batterie eine geringere Reichweite haben als solche mit einer Li-Batterie. Doch wenn sie dafür beim Preis und der Umweltfreundlichkeit punkten, werden sich Käufer finden. Aber: „Batterien – egal welche“, sagt Novak, „werden niemals die Reichweite von Benzin erreichen.“ (Der Standard, Juliette Irmer)


Wissen: Wie funktioniert ein Akku?

Ein Akku ist eine wiederaufladbare Batterie. Schließt man etwa ein Handy an den Akku, wird die dort gespeicherte chemische Energie in elektrische umgewandelt. Das geschieht, indem Ionen von der negativen Kohlenstoffelektrode zur positiv geladenen Elektrode fließen. Um diese Ladungen nun auszugleichen, fließen in einem externen Stromkreis Elektronen und damit elektrischer Strom. Lädt man den Akku wieder auf, legt man eine Spannung an: Der Elektronenfluss kehrt sich um, und die Ionen bewegen sich zurück zur Kohlenstoffelektrode.