Kategorie Innovation & Technologie - 15. Januar 2016

Näher am Markt: Open Innovation als F&E-Hoffnung


APA/Cooperational Excellence OG

Mit „Open Innovation“ (OI) soll nicht nur die Bevölkerung stärker ins Innovationssystem einbezogen, sondern auch Forschung und Technologieentwicklung aus der Komfortzone geholt werden. Ist der Prozess gut aufgesetzt, könnte die Weiterführung „des Üblichen“ und die Entwicklung von Lösungen, die der Markt nicht braucht, vermieden werden. Das erklärte die Innovationsberaterin Gertraut Leimüller angesichts der anstehenden Ausarbeitung einer nationalen OI-Strategie im Gespräch mit APA-Science.

Auf den Schultern des Modewortes „Open Innovation“ lastet so einiges: Soll die Einbindung von Außenstehenden doch gar dem Forschungs-, Technologie- und Innovationsbereich (FTI-Bereich) insgesamt auf die Sprünge helfen. Durch Befragung von und Zusammenarbeit mit interessierten Teilen der Gesellschaft – oder neudeutsch den „Crowds“ – würden Firmen weniger am Markt vorbei entwickeln und wissenschaftliche Arbeit auch ein Stück gesellschaftlich relevanter werden, sagen OI-Befürworter. Auch die Bundesregierung ist auf das Konzept aufgesprungen und hat eine Initiative gestartet. Geht es nach den Plänen des Wissenschafts- und Infrastrukturministeriums, bekommt Österreich bis zum Sommer als eines der ersten Länder weltweit eine eigene OI-Strategie.

Open Innovation sei eine Art kontrollierte „Grenzüberschreitung, bei der es aber nichts bringt, wenn ich trotzdem das Übliche mache“, so Leimüller, die mit „winnovation consulting“ eine eigene Agentur in dem Bereich gegründet hat und auch den OI-Strategie-Prozess mitgestaltet. Um die Türen für neuartigere und radikalere Innovationen zu öffnen, gelte es vor allem „ungewöhnlichere Wissensgeber“ zu finden.

Finger stärker am Puls der Öffentlichkeit

Nach „Lead Usern“ – also Personen oder Gruppen, mit speziellem Know-how – sollte jedenfalls strategisch gesucht werden. Oft sei es nämlich ratsam, wenn Firmen oder Forscher ihre Fühler in Bereiche ausstrecken, die mit ähnlichen Problemen kämpfen. Hat man den Finger stärker am Puls der Öffentlichkeit, sinke auch die Gefahr, etwas zu entwickeln, wonach der Markt gar nicht verlangt, so Leimüller.

Würden aber Unternehmen OI als ausgelagerte Innovationsabteilung betrachten, und versuchen, sich „die fertige Lösung aus der Crowd zu holen“, wäre das ein großer Fehler. Eine Organisation brauche nämlich weiter die nötigen Ressourcen, um Hinweise von Außen überhaupt sinnvoll verarbeiten zu können. Missverstehen Firmen einen solchen Prozess als reine Marketing- oder Imagekampagne, kann OI zum „Bumerang“ werden, sagte Leimüller. Wenn die Crowd ihr Interesse und ihre Kreativität missbraucht sieht, könnten Stimmungen rasch und nachhaltig umschlagen.

Im Wissenschaftsbereich biete sich die Chance, neue Wege im „oft recht ineffizienten Prozess der Wissensgenerierung“ zu beschreiten. Auch die Forschung brauche den Mut, sich ein Stück weit zu öffnen, so die Expertin. Noch mangle es in Wirtschaft und Wissenschaft aber an fairen Modellen zur Beteiligung: Wenn etwa bei einem Wettbewerb die besten Ideen ausgezeichnet werden und die breite Masse durch die Finger schaut, sei das problematisch.

Weg von der starken Betonung technologischer Aspekte

Auch der Staat könne von OI profitieren: „Wenn ich über die Grenzen der Institutionen hinweg arbeite, kommen automatisch die großen gesellschaftlichen Fragestellungen in das Innovationsprojekt hinein“, erklärte Leimüller. Das würde Innovation auch ein Stück weg von der starken Betonung technologischer Aspekte rücken.

„Wenn wir es ordentlich machen, ist sicher die ganze Gesellschaft der Profiteur“, zeigte sich Leimüller auch im Hinblick auf einen Workshop zur Erarbeitung der „Open Innovation Strategie für Österreich“ am 18. Jänner überzeugt. Das Interesse daran sei jedenfalls „riesig“. Man zähle immerhin mehr als 500 Anmeldungen von unterschiedlichsten Akteuren zu der Veranstaltung in Wien.

Wie sich das vielschichtige heimische Innovationssystem bis 2030 verändern soll, ist für die Expertin die Grundfrage. Es gebe Überlegungen dahingehend, dass „User“ und „Crowds“ hier „die zentrale Rolle übernehmen“ sollen. Ihre Einbeziehung könnte etwa in FTI-Förderprogrammen als Voraussetzung für die Mittelvergabe festgeschrieben werden. „In Summe wäre das ein großer Paradigmenwechsel“, so Leimüller, denn momentan versuche man in Österreich „alles ein bisschen“ zu machen. Die OI-Strategie sollte zu einem klareren Profil und in Folge zu einer höheren Innovationsleistung führen.

Dem Workshop wird ein öffentlicher Konsultationsprozess im Februar folgen. Im Sommer sollen die Vorhaben dann im Parlament präsentiert und die Umsetzung angegangen werden, wie es im Ablaufplan zur Strategieentwicklung heißt.

Service: Am 18. Jänner gibt es ab 08:30 Uhr einen Live-Stream zum Workshop auf http://openinnovation.gv.at. Der Hashtag der Veranstaltung auf Twitter lautet #OIworkshop.