Kategorie Innovation & Technologie - 14. März 2019

Neuerungen zum Automatisierten Fahren. Was ist erlaubt?

Das Medienecho war enorm. Freihändig Fahren und Einparken wären nun erlaubt und das Automatisierte Fahren in Österreich angekommen. Tatsächlich ist mit Montag dem 11. März 2019 die 1. Novellierung der Automatisiertes Fahren Verordnung (AutomatFahrV) des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in Kraft getreten. Im Rahmen derer wurde auch die Grundlage dafür geschaffen, dass genehmigte Assistenzsysteme wie Einparkhilfen und der Autobahnassistent auf Straßen mit öffentlichem Verkehr in Österreich unter gewissen Bedingungen eingesetzt werden können.

Konkret bedeutet dies, dass auf Autobahnen und mautpflichtigen Schnellstraßen eine Kombination aus Abstands-, Geschwindigkeits- und Spurhalteassistenten aktiviert sein darf, wobei auch die Hände vom Lenkrad genommen werden dürfen.

In vielen Wagen gehören diese Assistenzsysteme bereits jetzt zur Standardausstattung: Ein Assistent, der die Fahrspur erkennt, das Fahrzeug selbstständig lenkt und automatisch den richtigen Abstand zum vorausfahrenden Auto hält.

Auch beim automatischen Einparken dürfen jetzt die Hände vom Lenkrad genommen werden und man kann sogar von außen dem Einparkvorgang beiwohnen, muss den Vorgang jedoch jederzeit abbrechen können – außerhalb des Fahrzeuges dann mittels Fern- bzw. App-Steuerung.

Die Novellierung beinhaltet aber vor allem die Regelungen von weiterhin hohen Sicherheitsstandards für das Testen neuer Technologien rund um die Automatisierte Mobilität. Ein Anspruch, den das BMVIT mit dem legistischen Rahmen sowie intensiver Forschungsförderung für Testumgebungen und Vorzeigeprojekte weiterhin hochhält. Die Novellierung erlaubt nun beispielsweise eine Verfahrensbeschleunigung bei Testfahrten auf dem niederrangigen Straßennetz und eine Erweiterung des Testumfangs bei selbstfahrenden Heeresfahrzeugen.

Neben der Forschungsförderung sind die aktive Aufklärung durch Infoveranstaltungen weiterhin von großer Bedeutung für das BMVIT. Dialogveranstaltungen mit der Bevölkerung und regelmäßige Vernetzungstreffen von Forschung, Unternehmen und öffentlicher Hand sollen nicht nur die Akzeptanz neuer Mobilitätsformen erhöhen, sondern auch alle Beteiligten stets auf dem neuesten Stand halten.

Bedingungen im Detail

Bei der Nutzung von genehmigten und serienmäßig in den Fahrzeugen verbauten Einparkhilfen und Autobahnassistenten ist im Sinne der Verkehrssicherheit folgendes zu beachten.

Einparkhilfe:

  • Als Einparkhilfe wird ein System verstanden, das die Fahraufgaben beim Ein- und Ausparken des Fahrzeugs mittels automatischer Lenkfunktion übernehmen kann.
  • Solange das System aktiviert ist, muss sich der Lenker oder die Lenkerin in unmittelbarer Nähe oder eben innerhalb Fahrzeugs befinden und den Ein- oder Ausparkvorgang überwachen. Es ist daher, sofern das System diese Funktion unterstützt, auch das Einparken mittels Fernbedienung und Fernüberwachung möglich.
  • Es muss jedoch bei dem zum Einsatz kommenden System immer eine Notfallvorrichtung vorhanden sein, mit deren Hilfe das System unverzüglich deaktiviert oder übersteuert werden kann. Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker die Notfallvorrichtung unverzüglich betätigen.
  • Das System darf nur nach Herstellerangaben und nur bis zu einer maximalen Geschwindigkeit von 10 km/h verwendet werden.
  • Das System darf nur in Fahrzeugen der Klassen M1 und N1 verwendet werden.

Autobahnassistent:

  • Als Autobahnassistent werden Systeme verstanden, welche die Längsführung des Fahrzeugs, wie beschleunigen, bremsen, anhalten, Abstandskontrolle, sowie die Querführung des Fahrzeugs zur Spurhaltung mittels automatischer Lenkfunktion auf Autobahnen und Schnellstraßen übernehmen können.
  • Erst wenn der Lenker oder die Lenkerin auf die Autobahn oder Schnellstraße aufgefahren ist und sich in den fließenden Verkehr eingereiht hat, darf er das System aktivieren.
  • Solange das System aktiviert ist, ist der Lenker oder die Lenkerin von der Verpflichtung die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festzuhalten enthoben.
  • Rechtzeitig vor einem Spurwechsel, vor Baustellenbereichen und vor Erreichen der Ausfahrt sind die Fahraufgaben wieder vom Lenker oder der Lenkerin zu übernehmen.
  • Es muss eine Notfallvorrichtung vorhanden sein, mit der das System unverzüglich deaktiviert oder übersteuert werden kann. Wenn es zu einer kritischen Situation kommt, muss der Lenker oder die Lenkerin die Notfallvorrichtung unverzüglich betätigen und die übertragenen Fahraufgaben übernehmen.
  • Das System darf nur nach Herstellerangaben und ausschließlich auf Autobahnen und Schnellstraßen, jedoch nicht in Baustellenbereichen, verwendet werden.
  • Das System darf nur in Fahrzeugen der Klassen M1, M2, M3, N1, N2 und N3 verwendet werden.

So waren bisher in der AutomatFahrV nur Systeme für Testzwecke, welche den Anwendungsfällen des 2. Abschnitts zuordenbar sind, geregelt. Mit dem neu geschaffenen 3. Abschnitt werden nun auch zwei Anwendungsfälle von bereits genehmigten Systemen in Serie berücksichtigt, welche im Rahmen der Bestimmungen des 3. Abschnitts auf Straßen mit öffentlichem Verkehr von jedermann verwendet werden dürfen.

© VDA

Die Verordnung unterscheidet daher zwischen Testfahrten mit hoch-oder vollautomatisierten Fahrzeugen, welche nur bestimmten Personengruppen (Fahrzeugherstellern, Forschungseinrichtungen etc) zugänglich sind und dem regulären Einsatz, von bereits seit einigen Jahren von den Autoherstellern in ihrem Flotten verbauten Fahrassistenzsystemen (Einparkhilfe, Autobahnassistent), durch alle Lenker und Lenkerinnen in Österreich.

Die Einführung des 3. Abschnittes, und somit die Freigabe zur Nutzung von Einparkhilfen und Autobahnassistenten unter gewissen Bedingungen ist eine wesentliche und wichtige Neuerung im Verkehrsrecht und trägt zu mehr Rechtssicherheit aber eben auch zu mehr Verkehrssicherheit für die Österreicher und Österreicherinnen auf den heimischen Straßen bei.

Verantwortung bleibt bei den Lenkern

Nach bisheriger Rechtlage war in Österreich jeder Lenker und jede Lenkerin stets verpflichtet, das Lenkrad während der gesamten Fahr mit zumindest einer Hand festzuhalten. Das Loslassen des Lenkrades mit beiden Händen und die Übergabe der Fahraufgaben an ein System, stellte nach alter Rechtslage eine Verwaltungsübertretung dar und hätte zu einer Verwaltungsstrafe führen können. Hier hat das BMVIT daher die Rechtslage den aktuellen Stand der Technik angepasst und damit einen wichtigen Schritt gesetzt und zählt damit zu einem der Vorreiterländer im Bereich der automatisierten Mobilität in Europa.

Bezüglich der Aufgaben der Lenker und Lenkerinnen und damit im Zusammenhang stehend Haftung bei Verkehrsunfällen mit Assistenzsystemen, hält die Verordnung ausdrücklich fest, dass der Lenker oder die Lenkerin bestimmte Fahraufgaben zwar auf Systeme übertragen darf, aber weiterhin stets verantwortlich bleibt, die Fahraufgaben wieder zu übernehmen. In kritischen Situationen oder wenn das System nicht richtig reagiert, wäre daher der Lenker oder Lenkerin, wie bisher auch, weiterhin angehalten unverzüglich zu reagieren und einzugreifen. Es ist den Lenkern und Lenkerinnen daher nicht gestatten, Nebentätigkeiten (Video, Handy) nachzugehen, da die Lenker und Lenkerinnen eben weiterhin einsatzbereit sein müssen um Fehlhandlungen der Systeme frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Es kommt daher zu keiner Haftungsverschiebung und es gelten weiterhin die allgemeinen Haftungsregelungen, wie bisher im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen.

Der Lenker oder die Lenkerin hat sich selbst zu vergewissern, dass das jeweilige System den gesetzlichen Anforderungen auch entspricht. Weiters sollten sich der Lenker oder die Lenkerin vor der Inbetriebnahme dieser Systeme immer intensiv mit der Handhabung ihrer Fahrerassistenzsysteme beschäftigen und sich dazu eben mit den Herstellerangaben bekanntmachen.

In der EU bestehen derzeit keine einheitlichen Regelungen über die Nutzung von Fahrerassistenzsystemen und die Lenker und Lenkerinnen sind daher angehalten, sich vor jeder Reise mit Grenzübertritt auch über die landesspezifischen Verkehrsreglungen in anderen Ländern bezüglich der Nutzung von Assistenzsysteme zu informieren. Die richtige Nutzung vorausgesetzt, haben Fahrerassistenzsysteme jedoch ein enormes Potenzial die Verkehrssicherheit positiv zu beeinflussen, sie sollen die Lenker und Lenkerinnen bei den Fahraufgaben unterstützen und das Fahren sicherer und angenehmer machen.

Eine Anpassung der österreichischen Gesetzeslage an den Stand der Technik und damit auch die Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Schaffung von Rechtssicherheit bei der Nutzung dieser Systeme war daher dringend geboten.

Globaler BürgerInnen-Dialog

Damit die Automatisierte Mobilität im Gespräch bleibt und man sich nicht nur rund um die Technologien und Anwendungsfelder informieren, sondern auch mitreden kann, beteiligt sich Österreich am 6. April 2019 am internationalen BürgerInnen-Dialog zum Thema.

Das Mobilitätssystem und unser aller Mobilitätsverhalten wird sich grundlegend verändern. Damit dieser Prozess gemeinsam mit möglichst vielen Akteuren abläuft, wird der international organisierte Dialog mit mehr als 2.000 teilnehmenden BürgerInnen in rund 20 Städten Europas und Nordamerikas veranstaltet.

Service:

Verordnung zum automatisierten Fahren

Aktionspaket Automatisierte Mobilität

Automatisiertes Fahren kann für mehr Verkehrssicherheit sorgen und ist zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Schon jetzt sind österreichische Autozulieferbetriebe in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. Das neue Aktionspaket Automatisierte Mobilität für den Zeitraum 2019-2022 setzt den Fokus auf Straße, Schiene und Luftfahrt (Drohnen). 65 Millionen Euro an Förderbudget stehen zur Umsetzung von 34 Maßnahmen im Bereich Technologieförderung, legislativer Anpassung, gesellschaftlicher Dialog, Einbindung der öffentlichen Hand und Aufbau der Kompetenz im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion bereit.