Kategorie Innovation & Technologie - 4. Juli 2018

Die Gefahr, die durch den Filter kam

Viele Menschen atmen tagtäglich gesiebte Luft. Nicht weil sie im Gefängnis sitzen, sondern weil ihre Atemluft durch die feinen Poren ausgeklügelter Filtersysteme zu ihnen vordringt – in Büroräume, ins Innere des Autos, in die Flugzeugkabine oder zum Krankenhausbett. Die Filter nutzen die Eigenschaften spezieller Materialien wie Aktivkohle oder Glaswolle, um kleinste Partikel aus dem Luftstrom herauszuholen und ihn sauberer zu machen.

Wird die Atemluft dadurch aber auch gesünder? Oder anders gefragt: Schaffen die Filtersysteme es, auch Krankheitserreger oder Allergien auslösende Pollen aus den Innenräumen fernzuhalten? Viele Hersteller bieten entsprechende Produkte an – die sie allerdings zumeist auch selbst auf ihre Verlässlichkeit prüfen.

Das Problem: „Es gibt keine standardisierte Methode, mit der Innenraumfilter auf biologisches Material getestet werden“, erklärt Bernadette Führer, die am Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik OFI im Bereich Mikrobiologie & Zellkultur tätig ist. „Standardisierte Tests achten bis heute nur auf ein einziges Kriterium: die Größe der Partikel.“ Diese wird mittels spezieller, zumeist mineralischer Prüfsubstanzen untersucht – wie etwa Kaliumchlorid.

Unterschiedliche Formen

Für Bakterien, Pilzsporen oder Pollen, die unterschiedliche Formen, Oberflächen oder elektrostatische Eigenschaften aufweisen, ist Größe aber nicht das einzige ausschlaggebende Kriterium. Führer und ihre OFI-Kollegin Gabriele Ettenberger-Bornberg konzentrieren sich deshalb im Projekt „Aeropore“, das im Rahmen des Coin-Programms vom Wirtschaftsministerium und der Förderagentur FFG unterstützt wird, auf die Wechselwirkungen der biogenen Stoffe mit den Filtersystemen:

Das Ziel: Der Industrie soll ebendiese fehlende Standardmethodik geboten werden, um herauszufinden, wie gut ihre Filter vor den „biologischen Gefahrenstoffen“ schützen. Darauf aufbauend könnte beispielsweise ein eigenes Gütezeichen für Filtersysteme entstehen, erklärt Ettenberger-Bornberg.

Um für den Menschen sicher zu sein, sollten die Filter nicht nur pathogene Keime zurückhalten, sondern der durchströmenden Luft keine gefährdenden Stoffe wie Glasfasern mitgeben, die Haut oder Lunge reizen könnten. Und sie sollten selbst keine Nährstoffquelle für die Mikroorganismen bieten. „Wenn sich Schimmelpilzsporen im Filter vermehren und ansiedeln können, wird der Filter selbst zur Gefahrenquelle“, sagt Ettenberger-Bornberg.

Pollenfragmente

Während das Abscheiden intakter Pollen noch verhältnismäßig einfach ist, können sich einzelne ihrer Fragmente, die zum Teil auch eine allergene Gefahrenquelle darstellen, leichter durch die Filter schummeln. Kleine Proteine und andere Bestandteile können sich durch verschiedene Mechanismen an Feinstaubpartikel binden und sind auf diese Art nur schwer aufzuspüren, erläutert Führer.

Am OFI arbeitet man deshalb in diesem Projekt mit dem Zentrum für Elektronenmikroskopie Graz ZFE zusammen – beide Institute sind Mitglieder im Forschungsnetzwerk Austrian Cooperative Research ACR. Am ZFE wird eine Methode entwickelt, die auf die genaue Lokalisierung des Allergens abzielt – egal, wo es sich anheftet. Die relevanten Proteine werden hier mit Nanogoldpartikeln markiert, die sich dann unter einem Rasterelektronenmikroskop aufspüren lassen.

Messung der Partikelkonzentration

Damit lässt sich etwa untersuchen, wie weit ein Allergen in ein Filtersystem vorgedrungen ist, bevor es schließlich in dessen Netzwerk haften blieb. Eine Untersuchung von Feinstaub ergab etwa, dass im April 2017 eine besonders hohe Anzahl eines bestimmten Birkenpollen-Allergens darin zu finden war – was mit den Werten des Pollenwarndienstes in diesem Zeitraum übereinstimmt.

Die Methode des ZFE ergänzt die mikrobiologischen und immunologischen Untersuchungen, die am OFI mithilfe des neuen, erst wenige Tage im Einsatz befindlichen Prüfstands durchgeführt werden. In der Vorrichtung wird ein vorab zusammengestelltes Partikelgemisch aus Pollen, Bakterien, Pilzen und Stäuben in einem Luftstrom durch eine eigens designte Filterbox gesaugt.

Vor und nach dem Filter werden die jeweiligen Partikelkonzentrationen gemessen und die Anzahl von Krankheitserregern oder Allergenen eruiert. Das ermöglicht, Belastungen, die je nach Jahreszeit oder Ort unterschiedlich sein können, realitätsnah nachzustellen. Ist auf den Filter Verlass, steht dem freien Durchatmen trotz Pollen- oder Grippezeit dann nichts mehr im Wege.

Alois Pumhösel