Kategorie Innovation & Technologie - 29. Januar 2016

Rad fahren bei jedem Wetter

Wenn man durch das Land fährt, fragt man sich, warum an manchen Orten viele Wege mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigt werden und an anderen alles mit dem Auto“, sagt Roland Hackl von TBW Research. Er leitet das Projekt „Activ8!“, das vom Technologieministerium (BMVIT) finanziert wird. Sein Team will die „aktive Mobilität“ in Österreich erforschen, also Fortbewegungsarten, die durch eigene Körperkraft betrieben werden – wie Rad zu fahren und zu Fuß zu gehen. Bisher wurde noch nicht großräumig gezeigt, von welchen Parametern es abhängt, dass in manchen Regionen die Menschen viel Rad fahren oder gehen und sich woanders lieber mechanisch transportieren lassen.

Dies will das Team von „Activ8!“ nun angehen: Ein mathematisches Modell soll am Computer für ganz Österreich sichtbar machen, welche Maßnahmen unter welchen Umständen zu mehr aktiver Mobilität führen und welche nicht. „Die Datenaufbereitung ist sehr aufwendig, weil es so umfassend ist: Wir konzentrieren uns auf drei große Faktorengruppen“, sagt Hackl. Erster Themenblock ist „Raum und Klima“: Die Topografie beeinflusst, wie man sich bewegt. Flache Räume werden anders genutzt als steiles Auf und Ab. „Man muss auch prüfen, welchen Einfluss Sonnenstunden, Regentage und die Zahl der Tage mit Schneedecke in jeder Region haben“, so Hackl.

Zweiter Themenbereich ist die Bevölkerung, also soziale Faktoren: Die Altersstruktur spielt ebenso mit wie Haushaltsstrukturen. Auch Pkw-Besitzraten oder der Wert eines Pkw als Statussymbol werden pro Region erhoben.

Drittens fokussiert das Projekt auf die Infrastruktur: die Dichte und Qualität des Rad- und Fußwegenetzes und angeschlossene Infrastruktur wie Radabstellplätze.

100 Hypothesen zu testen

Die Daten holen die Forscher einerseits aus der bundesweiten Haushaltsbefragung „Österreich unterwegs“, die – finanziert vom BMVIT, der Asfinag, den ÖBB und den Bundesländern – die Mobilitätsprofile aller Bevölkerungsschichten bis 2015 erfasst hat. Andererseits nutzen sie die einheitlichen Infrastrukturpläne der Graphenintegrations-Plattform GIP, einer digitalen Karte des österreichischen Verkehrsnetzes (gefördert vom Klima- und Energiefonds).

Aus all diesen Parametern soll das neu entwickelte Modell statistisch hervorheben, welche Dinge allein oder im Zusammenspiel den stärksten Einfluss auf die aktive Mobilität der Menschen haben. „Der erste Schritt war eine große Hypothesensammlung, bei der die theoretischen Überlegungen aller Beteiligten eingeflossen sind“, so Hackl.

Über 100 Hypothesen liegen nun im Pool, die es zu belegen oder zu verwerfen gilt. Darunter fallen so offensichtliche Annahmen wie jene, dass dort, wo es viele Radwege gibt, mehr Rad gefahren wird.

Oder dass in Siedlungsstrukturen mit guter Erreichbarkeit von Versorgungseinheiten und Einzelhandel mehr Wege aktiv erledigt werden. „Es ist bekannt, dass die Autoabhängigkeit sehr stark von der Bebauungsweise abhängt, aber es gibt noch kein einheitliches Modell, das die regionale Sinnhaftigkeit verschiedener Maßnahmen bewerten kann“, sagt Hackl.

Radwege und Querungshilfen

Das „Activ8!“-Modell soll regional abhängig zeigen, was es bringt, mehr Querungshilfen für Radfahrer einzurichten oder eine bauliche Trennung von Radwegen und motorisiertem Verkehr durchzuziehen. „Eine meiner Hypothesen ist, dass sich viele nicht trauen, auf einer stark befahrenen Straße den Radweg zu benutzen“, so Hackl. Mit ersten empirischen Ergebnissen ist ab Sommer 2017 zu rechnen, da zuvor die Datenaufbereitung aus all den verschiedenen Quellen noch viel Zeit in Anspruch nimmt. Erst danach kann das mathematische Modell optimiert werden.

„Für manche Regionen, etwa in Vorarlberg, liegen uns nur punktweise gute Daten mit hohen Fallzahlen vor, vor allem aus der Mobilitätserhebung. Das einzige Bundesland, für das flächendeckend eine hohe Dichte an guten Daten vorhanden ist, ist derzeit Oberösterreich“, sagt Hackl. (von Veronika Schmidt, Die Presse, 30.1.2016)