25. August 2017

Seminare, Panels, Workshops: Forschungsvielfalt in Alpbach

 

Von Teresa Garstenauer

Make a difference!

Spannende Persönlichkeiten, Interdisziplinarität, Motivation etwas zu verändern und interessante Diskussionen – das sind spontane Gedanken zu den letzten sechs Tagen hier in Alpbach.

Am Mittwoch wurde ich mit dem ersten Problem konfrontiert. Für welche der 19 Seminare soll ich mich entscheiden? Die Themen reichten von Populismus und postfaktische Politik über die Frage „Sind wir allein im Universum?“, bis hin zu Klimawandel und Energiewende. Wobei ich mich dann auch für letzte zwei Optionen entschied.

Im Seminar zur Energiewende wurden uns die Technologien für erneuerbare Energien und ihre Funktionsweise verständlich näher gebracht und die Verknüpfung zu den politischen Aspekten der Energiewende hergestellt. Besonders spannend war ein Vormittag, bei dem wir die Rolle von Staaten, wie Prospectasia, Westria, Sultanate of Oilistan, Ökotecnia und den UN einnahmen und versuchten, ganz nach dem Vorbild des Paris Agreement, ein „Alpbach Agreement“ zu verabschieden. Nach einer Stunde Verhandlungen, bilateralen Gesprächen und Statements hatten wir es geschafft, ganze drei Sätze zu beschließen. Uns wurde schnell klar, dass der Prozess einen Vertrag mit über 190 Staaten und mehr als 20 Seiten zu verhandeln etwas komplizierter ist und viel Geduld erfordert.

Verhandlungssimulation nach UN-Vorbild in Alpbach ©Teresa Garstenauer

Am Nachmittag wurde der Klimawandel und Bevölkerungsdynamiken im Seminar bearbeitet. Nach der Vermittlung der theoretischen Grundlagen wurden die Diskussionen zunehmend spannender und wir stellten uns auch Fragen zum  Thema „Klimaflüchtlinge“. Wie und wo soll die Definition von Klimaflüchtlingen erfolgen? Wie sieht diese Definition aus? Wie wird festgestellt, ob jemand ein Klimaflüchtling ist? Ist die internationale Gemeinschaft oder sind individuelle Staaten verantwortlich?

Die Chairs in den Seminaren können als herausragende Persönlichkeiten, Experten auf ihren Fachgebieten mit Offenheit auf andere Standpunkte einzugehen und auch verschiedene Disziplinen zu verknüpfen charakterisiert werden. Ihre Zugänglichkeit und auch die Bereitschaft außerhalb der Seminare über brennende Fragen zu diskutieren, ergänzte die ohnehin bewegenden Themen.

Beeindruckend fand ich die Interdisziplinarität, die sich in den Seminaren durch die Teilnahme von Stipendiaten aus den verschiedensten Studienrichtungen ergab. Oft sitzt man in seiner berühmten „Blase“ und umgibt sich mit Personen aus dem eigenen Fachgebiet. Die Vielfältigkeit hier in Alpbach eröffnet jedoch ganz neue Möglichkeiten und bedingt spannende Diskussionen.

Was jedoch alle Teilnehmer gemeinsam haben, ist das grundlegende Interesse an vielen Themen und die Motivation etwas zu verändern. „Make a difference!“ ist glaube ich ein guter Leitspruch, der uns hier in diesem kleinen Bergdorf mitten in den Alpen begleitet.

European Forum Alpbach ©Philipp Eisingerich

Von Jakob Hinney

Die erste Woche des Forums wird traditionell mit Seminaren für die teilnehmenden Studenten verbracht, wo man aus einem ungemein breiten Spektrum von Themen wählen kann. Als Physiker wollte ich mich dort mit komplett fachfremden Themen beschäftigen und wurde nicht enttäuscht: An sechs Tagen habe ich den Morgen in einem Seminar zu Konflikt- und Kooperationsforschung verbracht und zum Beispiel Einsichten in die Spieltheorie erhalten, also etwa wann Akteure eher zu gemeinnützigem und wann eher zu egoistischem Verhalten neigen. Auch am Nachmittag war der Fokus auf Themen außerhalb der Physik gerichtet: Zwei renommierte Forscherinnen gaben in dem Kurs „Zeitlandschaften“ Antworten auf Fragen der Zeitwahrnehmung sowie Einblick in ihre Arbeit – unter anderem über die „Zeiterzeuger“ in der akademischen Sphäre sowie Evaliierungsperioden und Projektzeiträume.

Nach der Seminarwoche erweitert sich das Forum deutlich, wenn (noch mehr) einflussreiche, politische und akademische Persönlichkeiten ins Dorf kommen, um an den thematisch strukturierten Gesprächsreihen teilzunehmen, zum Beispiel den Hochschulgesprächen oder den Technologiegesprächen. Letztere sind für mich durch meine Arbeit als Doktorand in der Physikfakultät der TU Wien von besonderem Interesse. Zum einen wurden gegenwärtige Technologiefragen inhaltlich in großer Breite diskutiert, von Fracking über Photovoltaik bis zu künstlicher Intelligenz. Zum anderen melden sich in Alpbach viele Politiker zu Wort und diskutieren die europäischen und österreichischen Perspektiven. So auch bei der Eröffnungsveranstaltung der Technologiegespräche, wo eine hochkarätig besetzte Runde aus Politik und Forschung vor dem Plenum diskutierte. Anwesend waren alleine drei Bundesminister, namentlich Jörg Leichtfried (Verkehr, Innovation und Technologie), Harald Mahrer (Forschung, Wirtschaft) und Sonja Hammerschmid (Bildung). Vollendet wurde die Runde durch den Präsidenten der österreichischen Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, sowie den Industriellen und Regierungsberater Hannes Androsch. Gegenstand der Diskussion war zunächst die Schulbildung und die Frage, ob Österreichs Schüler ausreichend wesentliche Fähigkeiten für das digitale Zeitalter wie Programmierung und kritisches Hinterfragen von sozialen Medien erlernen. Einig waren sich alle, dass die Digitalisierung großes Potenzial birgt und gleichzeitig unausweichlich ist. Einige österreichische Firmen gehören hierbei zu den fortschrittlichsten der Welt, während andere in diesem Bereich noch einiges zu tun haben. Die Debatte ging dann zu gesellschaftlichen Fragen hinsichtlich der Digitalisierung über. Es wurden Zahlen über die Einstellung der Österreicher zum vermehrten Einsatz von Technik und Robotern in verschiedenen Lebensbereichen präsentiert. Bundesminister Leichtfried verdeutlichte das mit den unterschiedlichen Haltungen der Öffentlichkeit gegenüber dem Einsatz von Technik und Robotern im Haushalt und in der Medizin. Erstes können sich die meisten offenbar gut vorstellen, während letztes Beispiel generell kritisch gesehen wird. Zudem wies er daraufhin, dass wirtschaftlich gesehen ein höherer Einsatz von Robotern österreichischen Firmen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verhelfen kann, da sie den Anteil der hierzulande relativ hohen Lohnkosten verringern und Know-how erfordern, wie es in Österreich und Europa reichlich vorhanden ist.

Diese durchaus lebhafte Diskussion eröffnete die Bühne für die nun drei Tage andauernden Technologiegespräche, wo deutlich spezialisierte Runden Themen wie autonome Systeme, neuartige Materialien und die zweiten Quantenrevolution diskutieren. Von letzterem darf ich behaupten, dass ich an diesem Unterfangen als Doktorand an der TU Wien mitarbeite und deshalb besonders gespannt bin auf die kommenden Tage.

 

Stipendiaten des bmvit vor dem Off-Space beim European Forum Alpbach ©Philipp Eisingerich

INFObox: 40 österreichische Studierende aus technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen erhielten auch heuer wieder die Gelegenheit, mit einem Stipendium des Infrastrukturministeriums (bmvit) am Europäischen Forum Alpbach teilzunehmen. Im „Alpbach-Blog“ schildern einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre persönlichen Eindrücke, Erfahrungen und Erkenntnisse rund um die Technologiegespräche.