Kategorie Innovation & Technologie - 18. September 2015

Sicherheit auf kurzer Distanz

Kann eine Schiebetüre erkennen, ob ein Finger dazwischen ist, bevor sie zuschnappt? Normalerweise sind automatische Schiebetüren so eingestellt, dass sie zurückfahren, sobald ein gewisser Widerstand erkannt wird. „Bei Kinderfingern ist das aber kritisch, da sie keinen großen Widerstand gegen die Türe aufbringen“, sagt Thomas Schlegl, selbst Vater zweier Kleinkinder. Er entwickelt schon seit seiner Diplomarbeit Ideen, wie eine Technologie Finger, Hände oder ganze Menschen aus geringer Distanz detektieren kann. „Über ein elektrisches Feld kann ein Sensor erkennen, ob ein Finger vor ihm ist. So könnte die Schiebe- oder auch Kofferraumtür automatisch zurückfahren, bevor es zum Kontakt kommt“, erklärt er. Elektrische Felder bzw. kapazitive Messtechniken sind weit verbreitet. Jedes Smartphone oder Tablet baut auf dem Display ein elektrisches Feld auf, das den wischenden Finger erkennt, nicht aber ein Stück Holz oder Plastik. Schlegl hat in seiner Dissertation am Institut für Elektrische Messtechnik der TU Graz Grundlagenforschung in dem Bereich betrieben – finanziert vom Wissenschaftsfonds FWF.

Abstandsmesser am Auto verbessern

„Wie gut kann man mit kapazitiver Messtechnik Objekte erkennen? Wie gut kann so ein Sensor eine Hand von einem Werkstück unterscheiden oder einen Finger von einem ganzen Arm?“, so Schlegl. Er suchte nach Anwendungen für neue Sensoren, die auf gewisse Distanzen Objekte und Menschen erkennen. „An der Autostoßstange kann man damit den Abstandsmesser verbessern oder bei selbstfahrenden Autos die Sicherheit von Fußgängern erhöhen.“ Für seine Dissertation wurde Schlegl kürzlich mit dem Forschungspreis des Kuratoriums für Verkehrssicherheit ausgezeichnet.

Ein großes Forschungsgebiet ist die Robotik: Industrie- und andere Roboter arbeiten oft am gleichen Arbeitsplatz wie Menschen und nicht mehr in einem „abgeschlossenen Käfig“, wo nichts passieren kann. Daher suchen Forscher weltweit nach Technologien, die vermeiden, dass Roboter mit Menschen zusammenstoßen. Schlegl ging während des Doktorats für vier Monate an die renommierte Stanford University in Kalifornien. „Meine Lebensgefährtin und mein Sohn Tobias waren mit dabei, das war ein wunderbarer Ausgleich, um nicht nur im Labor zu sitzen, sondern auch das Land zu erkunden“, schwärmt er. In Stanford konnte er einen neuen Sensor testen, mit dem Roboter bemerken, wenn sich ein Mensch nähert. „Die kleinen Kupferstreifen werden auf den Roboter geklebt, die Datenverarbeitung läuft auf einem Rechner.“ Sobald sich eine Hand nähert, stoppt der Roboter, um die Sicherheit des Menschen zu gewährleisten.

Wieder zurück in Österreich konzentrierte er sich auf weitere Anwendungen: „Man kann so auch feststellen, ob auf einer Oberfläche Eis oder Wasser ist.“ Das ist etwa bei Lkw-Planen wichtig, auf denen sich im Winter Eisplatten bilden können: Sie müssen vor der Fahrt entfernt werden, um Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. „Auch bei Kleinflugzeugen gibt es bisher noch keine Messtechnik, die direkt auf der Tragfläche Eis erkennt“, sagt Schlegl.

Nach der Dissertation gründete er gemeinsam mit seinem Studienkollegen Michael Moser und seinem Betreuer Hubert Zangl das Start-up Eologix, das im Science Park Graz angesiedelt ist. Unterstützung kam auch von der Austria Wirtschaftservice GmbH (AWS): „Durch die Pre-seed-Finanzierung konnten wir unser Produkt im ersten Winter auf Funktionstüchtigkeit testen und zur Marktreife entwickeln, als noch kein Geld in unsere Kassen kam.“ Das erste Produkt ist ein Sensor, der Eis auf den Rotorblättern von Windrädern detektiert. „Heuer konnten wir bereits erste Umsätze erzielen und haben viele Ideen für neue Produkte.“ (von Veronika Schmidt, Die Presse)