Kategorie Innovation & Technologie - 17. Juli 2016

Smart Clothes: Batterien, die man sich sticken kann

Wien – Von intelligenten Jeans, die als Eingabegerät für das Smartphone dienen, bis zu T-Shirts, die Puls, Atemfrequenz und Muskelaktivität messen: Smart Clothes, also mit elektronischen Anwendungen kombinierte Textilien, sollen künftig Teil unserer Garderobe sein. Die Einsatzgebiete der Technologien liegen aber nicht nur am menschlichen Körper. Im Bereich technischer Textilien werden – von Heizelementen bis zum Textilbeton – neue Funktionalitäten in den verschiedensten Bereichen erschlossen.

Auch in heimischen Labors wird daran gearbeitet. Vor einigen Jahren machte sich etwa eine Forschungskooperation des Instituts für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck und des Vorarlberger Unternehmensnetzwerks Smart Embroideries Austria an die Entwicklung neuer Anwendungen. Kleinere Stickereien, die über kaum Know-how im Bereich technischer Textilien verfügen, sollten die Möglichkeit bekommen, auf den Trend hin zu den smarten Anwendungen aufzuspringen.

Spin-off im Aufbau

Die Forscher beschäftigen sich dabei etwa mit Textilien, die in der Automobil-, Medizin- oder der Bautechnik eingesetzt werden können. Das neu gegründete Universitäts-Spin-off Texible in Hohenems ist nun dabei, aufbauend auf den Forschungsergebnissen marktreife Produkte zu entwickeln und Vertriebswege aufzubauen.

„Wir werden nicht selbst fertigen“, erklärt Texible-Chef Thomas Fröis. „Der Grundgedanke ist, dass wir die bestehenden Kapazitäten der Vorarlberger Stickereibetriebe nutzen.“ Unterstützt wird Texible unter anderem vom PreSeed-Programm der Agentur Austria Wirtschaftsservice (AWS).

Modifikation bestehender Maschinen

Die Verarbeitung nichttextiler Materialen wie Fäden und Drähte aus Glasfaser, Kupfer oder Stahl in technischen Textilien ist eine große Herausforderung. Um bestehende Maschinen verwenden zu können, bedarf es einer Modifikation. „Es handelt sich um eine Erweiterung, die die hintere Fadenführung der Stickmaschine so anpasst, dass man sehr filigrane Drähte verarbeiten kann“, erläutert Fröis.

Aktuell sind 0,08 Millimeter Durchmesser die Untergrenze, Ziel der laufenden Entwicklungsarbeit ist, diese weiter zu unterbieten. Mit der Technik wird eine formfreie, mehrlagige und damit dreidimensionale Verarbeitung der Drähte möglich.

Einsatz bei Harninkontinenz

Eines der ersten Produkte von Texible wird Bettwäsche sein, die bei der Pflege von Menschen mit Harninkontinenz hilft. „Bei Kontakt der Sensortextilie mit Flüssigkeit wird automatisch über das Rufsystem im Pflegeheim gemeldet, dass die Person im Nassen liegt“, erklärt Fröis. Dabei misst ein textiler Sensor laufend den elektrischen Widerstand, der sich dann durch Flüssigkeit verändert.

Eine Schwierigkeit dabei: „Die Textilien müssen industriell gewaschen werden können. Um Koch- und Chlorwäsche zu überstehen, müssen die Laken nicht nur knick-, sondern auch korrosionsbeständig sein, erläutert der Texible-CEO. Weiche und flexible Sensortextilien fühlen sich nicht nur besser an, sondern sind auch besser waschbar. Die Beschichtungen der feinen Drähte dürfen sich zudem nicht ablösen. Im Moment arbeiten die Entwickler noch an der Auswerteelektronik. In wenigen Monaten soll ein Feldversuch starten, dann sollen die Textilien in Produktion gehen.

3-D-Elektroden

Ein anderes Projekt des Unternehmens geht noch weiter weg von dem, was man sich landläufig unter Textilien vorstellt. In den Vorarlberger Stickereien könnten künftig 3-D-Elektroden gefertigt werden, die in Batterien, Akkus und Brennstoffzellen für mehr Effizienz sorgen. Die dreidimensionalen Strukturen ersetzen in den Akkus beschichtete Folien als Stromkollektoren. „Die 3-D-Elektroden durchdringen die Zellmasse. Die Folien schwimmen dagegen einfach nur oben auf“, beschreibt Fröis.

Das Gewicht der Zelle sinkt, weil die aktive Masse besser genutzt werden kann. Die Akkus werden leistungsfähiger und können schneller geladen werden. „Von wissenschaftlicher Seite wurde das Prinzip bisher zum einen für Lithium-Ionen-Akkus charakterisiert, die in Elektroautos zum Einsatz kommen können, zum anderen für sogenannten Redox-Flow-Zellen, die als Speicherzellen in Gebäuden dienen“, erläutert der Unternehmer. Noch müssen in der Fertigung Fehlerquote und Ausschuss verringert werden. Ende kommenden Jahres könnte es eine erste Kleinserie von Akkus mit den Textilelektroden geben.

Die beiden Projekte sollen nur der Startschuss zur smarten Textilzukunft sein. „Der nächste Schritt in der Pflege wäre etwa, die Vitaldaten im Bett zu überwachen. Man könnte dann jederzeit sehen, ob der Pflegebedürftige im Bett liegt und wie es ihm geht“, blickt Fröis in die Zukunft. Auch für die Hauspflege wäre das ein Thema. „Wichtig ist, dass solche Systeme ohne Mehraufwand für die Pflegenden und möglichst unsichtbar funktionieren.“ (Alois Pumhösel, 17.7.2016)


Wissen: Start-up-Förderungen in Österreich

Österreich bemüht sich in mehreren Förderprogrammen um Start-ups. Landesweite Geldgeber sind die Forschungsförderungsgesellschaft FFG und das AWS Austria Wirtschaftsservice mit Mitteln von Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Die FFG bietet Finanzierungen bis zu 70 Prozent der Forschungs- und Entwicklungskosten des Projekts. Darlehen müssen fünf Jahre nach Projektende getilgt werden.

Das AWS bietet eine Reihe von Fördermaßnahmen für die Vorgründungs- und Gründungsphasen von Hightech-Start-ups. Mit Start-up-Schecks werden Zuschüsse gegeben.

Neben landesweiten Fördergebern bieten Länder und Hochschulen Unterstützungsprogramme. In Wien sind die Förderaktivitäten in der Wirtschaftsagentur gebündelt. Inkubatoren wie Initis in Wien oder Cast in Tirol begleiten Gründungen. Die Koalitionsregierung hat angekündigt, Start-ups mit weiteren 185 Millionen zu fördern.