Kategorie Innovation & Technologie - 2. Februar 2016

Solarmodule für Alpen, Wüsten und Tropen

Wien – Wie macht man Solaranlagen wirtschaftlicher? Wie macht man sie konkurrenzfähiger, sowohl gegenüber konventionellen Energieträgern als auch gegenüber Billigmodulen aus Fernost? Eine Antwort darauf lautet: indem man sie auf den Ort ihres Einsatzes hin optimiert. Denn die Photovoltaikmodule müssen in den Alpen etwa unter anderen Klima- und Umweltfaktoren bestehen als in einem Wüstenumfeld oder in den Tropen. Die technischen Anforderungen, die Langlebigkeit und Verlässlichkeit der Module stellen, sind nicht überall auf der Erde gleich.

Diesen Umständen soll das im vergangenen November gestartete Forschungsprojekt Infinity („Climate sensitive long-time reliability of photovoltaics“) Rechnung tragen. Gefördert mit 5,5 Millionen Euro aus den Mitteln des Klima- und Energiefonds, führt das Projekt sechs Forschungsinstitutionen und neun Unternehmenspartner aus Österreich zusammen, um Fehlerquellen der Photovoltaik zu identifizieren, neue Testverfahren zu erarbeiten und neue Techniken gezielt auf den Ort ihrer Verwendung hin zu entwickeln.

Das Ziel: Solarmodule sollen über eine Zeitspanne von 25 Jahren und länger verlässlich arbeiten – egal ob sie eine Berghütte versorgen oder Teil eines Solarkraftwerks in der Sahara sind.

„Natürlich könnte man auch Module entwickeln, die allen Belastungen in allen Klimazonen standhalten. Das wäre allerdings sehr teuer“, erläutert Projektleiterin Christina Hirschl vom Forschungszentrum CTR Carinthian Tech Research AG, das die Konsortialführung innehat. „Darum wollen wir Module entwickeln, die bei Preis und Leistung für das jeweilige Klima optimiert sind.“ Die Industrie möchte global konkurrenzfähige Produkte liefern. Der künftige Standort ist bei der Produktentwicklung aber bisher nicht in dieser systematischen Weise berücksichtigt worden.

Schneelast und UV-Strahlung

„Wenn ich mit Turnschuhen auf den Gletscher gehe, bin ich nicht passend angezogen. Auf der Seepromenade werden sie aber ausreichen. Genauso ist es in den Tropen nicht notwendig, dass die Paneele hohen Schneedruck aushalten können. Dort ist dafür die Feuchtigkeit ein großes Problem“, so Hirschl. „In den Bergen sollte ein Wechselrichter auf Höhenstrahlung ausgerichtet sein. Am Meer ist das nicht notwendig. Die richtige Anpassung soll die Module wirtschaftlicher machen.“

In den Alpen laufen Anlagen Gefahr, unter hohen Wind- und Schneelasten zu brechen. UV-Strahlung kann bei nicht ausreichend geschützten Paneelen zu Vergilbungen und zu Ausfällen der Leistungselektronik führen. In einem tropischen Umfeld steht eine gute Feuchtigkeitsisolierung im Vordergrund, die vor Ausfällen und Verfärbungen bewahrt.

In Wüsten setzen den Modulen nicht nur feiner Sand, sondern auch die hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht zu. Sie können zu Glasbruch führen oder zumindest durch Zerstörung der Antireflexbeschichtung für Eintrübungen sorgen. Salznebel in Meeresnähe vermindern langfristig die Modulleistung. Luftverschmutzungen oder eine Ammoniakbelastung im landwirtschaftlichen Umfeld können ebenfalls schädlich sein.

In einer ersten Phase des Projekts werden gängige Fehler, Reklamationen und Case-Studies aus dem Netzwerk der Projektpartner gesammelt, um Details zu den Belastungen und Schwachstellen unter den jeweiligen Umweltbedingungen zu eruieren und zu systematisieren. Darauf aufbauend werden neue Kombinationen von Materialien, Komponenten und Verarbeitungsmethoden vorgeschlagen, die die Schwachstellen bestehender Konzepte ausmerzen und in den Zielregionen bestmöglich bestehen.

Die technischen Optimierungen sollen die gesamte Wertschöpfungskette betreffen, betont Hirschl, angefangen von den Ausgangsmaterialien und kleinsten Komponenten über die verwendeten Kleber, Folien und Bänder bis hin zur Assemblierung der Module und zum Anlagenbau sowie zu den Instandhaltungstechniken während der Laufzeit.

Ein besonderes Augenmerk soll auf die Testverfahren gelegt werden, mit denen eine langfristige Verlässlichkeit der Photovoltaik überprüfbar ist. „Eine Lebensdauer von 25 Jahren zu simulieren ist äußerst schwierig“, räumt Hirschl ein. „Die entsprechenden Verfahren bauen darauf auf, den Alterungsprozess zu beschleunigen. Beispielsweise werden die Module eine bestimmte Zeit lang hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt.“

Derartige Verfahren lassen die Beständigkeit zumindest für einige Jahre abschätzen, standortbezogene Einflüsse erfassen sie aber nicht. Im Rahmen des Projekts sollen die Testmöglichkeiten erweitert werden. Modelle, die klimaspezifische Alterungsvorhersagen zulassen, sollen auf Basis der gesammelten Erkenntnisse stark verbessert werden. (pum, Der Standard, 7.2.2016)