Kategorie Innovation & Technologie - 8. Oktober 2018

Energieschatz im Untergrund: Geothermie-Projekt geht in heiße Phase

Forscher sammeln 50 Terabyte Daten aus Wiener Untergrund – 3D-Seismik-Messungen in drei Wiener Bezirken und NÖ.

Geothermie als energetischer Hoffnungsträger? Die einfache Rechnung: Je näher es zum Erdkern geht, desto heißer wird es und die an die Erdoberfläche beförderte Energie wärmt Wohnungen, Schulen oder Schwimmbäder. Eine schier unerschöpfliche, regenerative Wärmequelle.

Aus diesem Grund wird in Wien und Umgebung erneut nach Heißwasservorkommen gesucht. Es ist nicht der erste Versuch dieser Art. Ein breit aufgestelltes Konsortium soll das Projekt dieses Mal zum Erfolg führen und die Wärme aus der Tiefe als Energiequelle zur Versorgung der Stadt nutzbar machen. Das seit rund eineinhalb Jahren laufende Projekt „GeoTief“ geht dafür in die zweite Phase. Ab Oktober werden Gebiete im 2., 11. und 22. Bezirk vermessen, um dadurch ein 3D-Modell des Untergrunds zu erstellen. Ergebnisse sollen 2021 vorliegen.

Nach ersten Untersuchungen im vergangenen Jahr folgen nun detaillierte 3D-Seismik-Messungen. Die Heißwasservorkommen könnten als Energiequellen für die Wärmeversorgung der Stadt genutzt werden und zukünftig im Idealfall hunderttausende Wiener Haushalte mit umweltfreundlicher Wärme und Warmwasser versorgen.

Martialischer Anblick, wissenschaftliche Absichten: Eine Kolonne der Impulsfahrzeuge. © ÖMV

„Das Potential der tiefen Geothermie liegt in Österreich laut Studien zwischen 450 und 700 Megawatt. Bis zu 60 Prozent davon wird Wien zugeschrieben, weil das Potential hier auch die entsprechende Zahl an Abnehmern – in unmittelbarer Nähe – verfügbar wäre. Das Forschungsprojekt GeoTief leistet wesentliche Grundlagenforschung zur Nutzbarmachung dieses Potentials und kann entscheidend zur urbanen Wärmewende beitragen“, so Theresia Vogel, Geschäftsführerin Klima- und Energiefonds.

Schwingungen bis 6.000 Meter Tiefe

Ab Anfang Oktober werden sogenannte Impulsfahrzeuge sechs bis acht Wochen lang im 2., 11. und 22. Wiener Gemeindebezirk sowie angrenzend in einem kleinen Teil Niederösterreichs auf insgesamt 175 Quadratkilometern unterwegs sein und Schwingungen – ähnlich Schallwellen – in bis zu 6.000 Meter Tiefe schicken. Die Schwingungen werden reflektiert und von Sensoren aufgezeichnet. Aus diesen Daten kann dann erstmals ein präzises geologisches 3D-Modell des Wiener Untergrunds erstellt werden, welches Informationen über die Lage und Größe von potentiellen wasserführenden Gesteinsschichten liefert.

„40 Prozent des Energieverbrauchs bei Haushalten und im Gewerbe fällt auf den Wärmesektor. Wenn wir die CO2-Emissionen weiter massiv reduzieren wollen, dann müssen wir genau an diesem Hebel ansetzen. Geothermie bietet dafür enormes Potenzial“, erklärte Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl. Das Potenzial für tiefe Geothermie liege in Österreich im Bereich von 450 bis 700 Megawatt – wobei Wien hier rund 60 Prozent zugeschrieben würden, hieß es.

Ablauf der seismischen Messungen

Der gesamte Prozess der Messungen läuft für die Öffentlichkeit transparent ab. Die Bevölkerung wird laufend vor Ort informiert. Vor Beginn der Messungen wird das Gelände, auf dem die Erkundungen stattfinden, markiert. Danach werden spezielle kabellose Sensoren, sogenannte Geophone, ausgelegt. Mehrere kleine Wanderkonvoi aus je drei Impulsfahrzeugen ziehen – begleitet von der Verkehrssicherung – durch das Messgebiet. Alle 20 Meter stoppt der Konvoi zur Messung.

 

Durch die Konvois der Impulsfahrzeuge kann es zu kurzfristigen Verkehrsbehinderungen kommen, vergleichbar mit der vorübergehenden zeitlichen Beeinträchtigung durch Müllfahrzeuge. Wenn man in der Nähe ist, werden Betriebsgeräusche der Erkundungsflotte zu hören sein, ähnlich wie das bei kleineren Bauprojekten vorkommen kann. Die Schwingungen durch die Impulsfahrzeuge sind nur im engeren Umkreis zu spüren.

Über GeoTief 

GeoTief Wien ist ein Energie-Forschungsprojekt von Wien Energie gemeinsam mit AIT Austrian Institute of Technology, der Geologischen Bundesanstalt, Geo5, GFZ Potsdam, HOL, Montanuniversität Leoben, OMV, RAG Austria AG, Universität Salzburg, Universität Wien und ZAMG. Dabei geht es um die wissenschaftlich untermauerte und auf dem höchsten Stand der Technik durchgeführte Erforschung und Vermessung der Geologie im östlichen Raum Wiens. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des „Energieforschungsprogramm 2017“ durchgeführt.

Lexikon: Geothermie oder Erdwärme ist die im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte Wärme (thermische Energie), die der Mensch durch gezielte Bohrungen nutzen kann und eine wichtige Quelle der erneuerbaren Energien darstellt. Die Wärme kann mittels Wärmepumpen direkt genutzt werden, kann aber auch z.B. mittels Kraft-Wärme-Kopplung in Energie umgewandelt werden. Die energetische Nutzung geothermischer Quellen spielte in Österreich bisher eine verhältnismäßig kleine Rolle.