Kategorie Innovation & Technologie - 13. Oktober 2017

Mond, Mars, Merkur? Wohin die Raumfahrt strebt

Wohin soll die Reise gehen? In 60 Jahren Raumfahrt sind Menschen zum Mond und Sonden zu Saturn und Venus geflogen, eine internationale Raumstation sowie unzählige Satelliten kreisen um die Erde und Rover rollen über den Mars. Selbst ein bemannter Flug zum Roten Planeten wird inzwischen außerhalb von Fiktion als ernsthaftes Unterfangen gehandelt.

Und auch ein alter Bekannter rückt wieder in den Mittelpunkt des Interesses: der Mond als unser nächster Nachbar und ständiger Begleiter – 45 Jahre nachdem zuletzt ein Mensch den Erdtrabanten betrat. Was aber sind die Visionen der internationalen Raumfahrt und welchen Weg können die ESA und damit auch Österreich als Vollmitglied der Europäischen Weltraumagentur gehen? Ein Einblick wonach die Raumfahrtnationen streben und wohin die Reise, speziell der ESA, gehen kann.

Die Mond-Pläne

Russland und die USA wollen gemeinsam eine bemannte Raumstation, ähnlich der Internationalen Raumstation (ISS), in der Mond-Umlaufbahn aufbauen. Von dort könnten künftig Landungen auf dem Mond und Flüge tiefer ins Weltall, etwa zum Mars, vorbereitet werden. Erste Module für die neue Raumstation könnten zwischen 2024 und 2026 ins All gebracht werden. Auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat Interesse an dem Projekt bekundet. Viele Details dazu sind aber noch offen.

Studie zur Station Deep Space Gateway, Visualierung © NASA

Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos will den Mond zuvor in mehreren Etappen erkunden. Den Auftakt soll voraussichtlich 2019 eine Sonde machen, die am Südpol des Erdtrabanten landet. Anfang der 2020er Jahre soll eine Sonde den Mond umkreisen, später soll ein bemannter Flug in den Mondorbit folgen, bevor eine Kosmonautin oder ein Kosmonaut, wie 1969 der US-Astronaut Neil Armstrong, den Mond betritt. Die Erschließung des Mondes sei eine wichtige Etappe, um den Flug zum Mars technisch zu erleichtern, lautet die Begründung Roskosmos. Letztlich will Russland damit aber auch dort anknüpfen, wo die Sowjetunion vor Jahrzehnten im Rennen um den ersten Menschen am Mond aufgehört hat.

Mars oder Mond?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Roskosmos Devise lautet: Ohne Mond kein Mars. Die US-Raumfahrtbehörde NASA ist dagegen auf dem Mars bereits aktiv und lässt gleich mehrere Sonden den Planeten umkreisen. Außerdem rollen zwei Rover über die Oberfläche. Ein weiterer Rover der NASA ist geplant sowie auch eine Mission mit Menschen. Unter dem vorherigen US-Präsidenten Barack Obama hatte sich die NASA offensiv dem Slogan „Journey to Mars“ (Weg zum Mars) verschrieben. Seit der Amtsübernahme von Donald Trump sind solche Missionen jedoch eher vakant. Trump bevorzugt den Mond – nicht nur aufgrund kürzerer Flugdauer ein einfacheres Ziel für bemannte Missionen.

Der Trace Gas Orbiter, das Landemodul Schiaparelli und der ExoMars-Rover auf dem Mars, Visualiserung © ESA

Mit ExoMars existiert zur Marsexploration ein gemeinsames Projekt von ESA und Roskosmos. Es besteht aus zwei Missionen: Die erste, die Mitte März 2016 startete, beinhaltet den so genannten Trace Gas Orbiter (TGO, Orbiter für Spurengase) und ein Landemodul namens Schiaparelli, das Verfahren für eine weiche Landung auf dem Mars erproben soll.

Ein Dorf auf dem Mond – das ESA Moon Village

Der Chef der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Jan Wörner, wirbt dafür, langfristig als Nachfolger der ISS eine Basis auf dem Erdtrabanten zu schaffen. Das „Moon Village“ soll in internationaler Kooperation entstehen und Forschung, Abbau von Ressourcen und sogar Tourismus ermöglichen. „Im Moon Village wollen wir die Möglichkeiten verschiedener Weltraumnationen zusammenführen – das können robotische Beiträge sein oder Astronauten. Die Teilnehmer an dieser permanenten Mondbasis können in ganz unterschiedlichen Feldern aktiv sein: Wissenschaft und Grundlagenforschung, kommerzielle Aktivitäten wie die Gewinnung von Rohstoffen, oder sogar Tourismus. Das Konzept stößt weltweit auf großes Interesse“, so Wörner über die Vision eines „Dorfes am Mond“. Der Mond könnte demnach – ähnlich wie aus russischer Sicht – auch ein Sprungbrett für einen Flug zum Mars sein und ist bisher vor allem eine aufsehenerregende Vision, die auf ein großes Echo stößt.

 

Was plant China auf dem Mond?

China betreibt Mond-Missionen unter Hochdruck. Noch vor 2020 will die Volksrepublik zum zweiten Mal eine Sonde auf den Erdtrabanten schicken. Die Raumsonde „Chang’e-5“ soll ein Landefahrzeug auf den Mond bringen, Proben sammeln und diese zur Erde bringen – ein Novum für Chinas Raumfahrt. Ebenfalls vor 2020 will China erstmals auf der von der Erde abgewandten Seite des Mondes landen. Vorbereitungen laufen auch für die erste bemannte Mondlandung Chinas, die nach bisherigen Angaben in etwa 15 bis 20 Jahren geplant ist.

New Space – Space 4.0

Die NASA arbeitet seit Jahren eng mit mehreren privaten Raumfahrtunternehmen zusammen. Die Unternehmen bauen und entwickeln Transporter und Raketen für die NASA – und sollen der Behörde so Kosten und Kapazitäten sparen. Von „Space 4.0“ ist in diesem Zusammenhang immer öfter die Rede. Der Begriff ist dabei, den amerikanischen Begriff „New Space abzulösen, weil er breiter gefasst ist. Bei „New Space“ geht es vor allem um die Kommerzialisierung der Raumfahrt. Das beinhaltet „Space 4.0“ auch, verharrt aber nicht auf einer Fokussierung auf beispielsweise Startraketen wie in den USA.

Die ESA hat in Europa mit den Raketen Ariane und Vega eine andere strategische Zielsetzung. Bezüglich der Kommerzialisierung ist man damit bei der ESA ebenso recht weit und kommerziell auch sehr erfolgreich. Viele Projekte sind in Public Private Partnerships (PPP) organisiert. Das mobilisiert Firmen, ihr gesamtes Knowhow in diese Projekte einzubringen. Für die ESA-Erdbeobachtung sollen PPP-Projekte weiter geöffnet werden. Auch in Österreich ist der Weltraumsektor in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig gewachsen. Mehr als 120 heimische Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit über 1.000 Beschäftigten sind in der Weltraumbranche aktiv. Sie erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von rund 125 Millionen Euro.

Weltraumerkundung mit österreichischem Know-How und Management

Die Esa suchte mit ExoMars nach Leben auf dem Mars. Rosetta landete auf dem Kometen „Tschuri“. Cassini-Huygens erforschet den Saturn und landete auf einem seiner Monde. Bei allen Missionen war Technik von heimischen Betrieben und Forschungseinrichtungen mit an Bord. Mit BepiColombo ist die Hard- und Software von österreichischen Weltraumexperten bald auch unterwegs zum Planeten Merkur – dem am wenigsten erforschten Planeten im inneren Sonnensystem. Aus Österreich stammt bei BepiColombo neben Magnetometern u.a. auch der Positioniermechanismus für die Ionen-Triebwerke, sowie die Thermalisolation der Raumsonden.

Ausgerechnet heute, Freitag, 13. Oktober 2017, ist der neue europäische Umweltsatellit Sentinel-5P ins All gestartet. Er wird in extrem hoher Genauigkeit weltweit Spurengase in der Atmosphäre messen. Die Daten werden in Österreich unter anderem für die Analyse und Vorhersage von Luftschadstoffen verwendet werden. Sentinel-5P ist Teil des Copernicus-Programms, mit dem Europa in den nächsten Jahrzehnten eine weltweit führende Rolle in der Erdbeobachtung einnehmen wird. Als Mission-Manager des Sentinel-5P-Programms ist mit Claus Zehner ein weiterer Österreicher in einer Führungsposition bei der ESA.

Weiterführende Links:

30 Jahre ESA-Austria: Zahlen, Daten & Fakten

Österreich, die Weltraumnation: 30 Jahre ESA-Mitgliedschaft

ESA-Direktor Aschbacher: „Erdbeobachtung rettet Menschenleben“

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.