Kategorie Innovation & Technologie - 29. Mai 2015

Wenn die Wärmepumpe wartet

Tara Esterl forscht an virtuellen Kraftwerken. Das heißt aber nicht, dass sie in einer virtuellen Welt arbeitet und ausschließlich Computersimulationen erstellt. Virtuell heißt das Kraftwerk deshalb, weil viele kleine Stromerzeuger zu einem Pool zusammengefasst werden: Dann entspricht die Leistung insgesamt der eines großen Kraftwerks. „Ich habe mich schon seit der Schule für erneuerbare Energien interessiert, deswegen finde ich virtuelle Kraftwerke spannend: Denn darin vereinen sich Fotovoltaikanlagen, kleine Wasserkraftwerke, Windenergie und andere Erzeuger sowie die Verbraucher zu einem großen Ganzen“, sagt Esterl.

Die Münchnerin zog für ihr Studium zuerst nach Tirol, wo sie an der FH Kufstein Energiewirtschaft studierte. „Das Zusammenspiel von Wirtschaft und Technik hat mich fasziniert: Darum habe ich dann am FH Technikum Wien Erneuerbare Energien studiert und zugleich Betriebswirtschaftslehre an der Uni Wien“, erzählt Esterl.

Seit 2009 ist sie in Wien und genießt das Leben der Großstadt. „Doch ich wohne am Stadtrand, weil ich zwar die Qualitäten der Stadt gern nutze, aber trotzdem schnell im Grünen sein möchte. Daher ist Stammersdorf perfekt.“ Derzeit schreibt Esterl ihre Dissertation an der TU Wien in der Energy Economics Group unter Betreuung von Hans Auer und arbeitet zugleich im Energy Department am AIT Austrian Institute of Technology. Hier gewann sie kürzlich einen Poster-Wettbewerb: Ihr Vermarktungskonzept von virtuellen Kraftwerken überzeugte die Jury. „Ich habe auf dem Poster dargestellt, was ich einem Investor erzählen würde. Also was die Kunden davon haben, welche Herausforderungen noch bestehen und wie die rechtlichen Grundlagen sind“, erklärt Esterl.

Wenn sie aufzählen müsste, welcher Teilbereich ihr am meisten Spaß macht, weiß sie gar nicht, wo anfangen: „Genau das ist das Gute: In dem Bereich arbeiten Elektrotechniker, Informatiker und Netzplaner mit Betriebswirten und Juristen zusammen. Erst durch die vielen Sichtweisen wird das Ergebnis tragfähig.“ Konkret geht es bei Esterls Arbeit darum, zu planen wie in Zukunft Stromnetze stabil bleiben, während Energiemärkte flexibler werden.

„Der Input ins Stromnetz ist durch erneuerbare Energie sehr flexibel: Fotovoltaik liefert Strom, wenn die Sonne scheint, ein Windkraftwerk dann, wenn der Wind weht.“ Natürlich gibt es für das Wetter Vorhersagen, doch wenn sich kurzfristig etwas ändert, muss das Netz auf unerwarteten Stromüberschuss oder -mangel reagieren. „Wir forschen an Optimierungsalgorithmen, die auch berechnen, wann welcher Endkunde wie viel Strom verbraucht“, sagt Esterl. So sei es in einem Haushalt möglich, die Wärmepumpe zum Beispiel eine halbe Stunde später als geplant einzuschalten, wenn wieder genug Strom im Netz ist oder wenn Strom billiger ist. „Für den Endkunden ist natürlich das Monetäre verlockend. Aber auch die Einsparung von CO2 ist wichtig. Am meisten zählt aber sicher die Komfortzone“, so Esterl. „Auch ich bin selbst Endkunde und will, dass es zu Hause dann warm ist, wenn ich dort bin. Wir müssen die Forschung immer auch aus der Sicht des Nutzers betrachten.“

 

Industrie pausiert für das Stromnetz

Deshalb beziehen ihre aktuellen Computermodelle die Lebensdauer von Wärmepumpen genauso in Berechnungen ein wie Daten über die Gebäude oder den Strommarkt. Geplant ist auch, dass Industriekunden kooperieren und aus einem virtuellen Kraftwerk genau dann mehr Strom abnehmen, wenn genug da ist und ihre Maschinen vielleicht für 15 Minuten ruhen lassen, wenn Strom knapp ist – sofern das den Geräten nicht schadet. Denkt man an Smart Grids und Strommärkte der Zukunft, ist genau diese Flexibilität eine der Herausforderungen.

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