Kategorie Innovation & Technologie - 7. Februar 2016

Wenn Straßenschilder zur Gefahrenquelle werden

Graz – Sie sollten zwar der Verkehrssicherheit dienen, mitunter stellen sie aber eher eine Gefahrenquelle dar: sogenannte Überkopfkonstruktionen auf Autobahnen, an denen Wegweiser, Leuchtsignale oder Kameras angebracht sind. Ein Grazer Forschungsprojekt widmet sich Sicherheitsaspekten dieser besonderen Verkehrsinfrastruktur.

Da Lkws in Höhe und Breite an die Verkehrsinfrastruktur angepasst sind, wahren selbst die größten gebührenden Abstand zu den fahrbahnüberspannenden Konstruktionen. Probleme machen die Informationsträger über den Köpfen der Autofahrer allerdings im Bereich von Autobahnbaustellen: Hier kommt es durch die Arbeitssituation immer wieder zu Kollisionen hoch aufragender Baggerarme oder Hubgeräte mit Überkopfkonstruktionen.

Fallen Teile davon auf die Fahrbahn, sind nicht nur Sachschäden die Folge, sondern auch Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit. Immerhin könnten die Trümmer auch auf den fließenden Verkehr auf der nicht abgesperrten Gegenfahrbahn stürzen. Selbst wenn ein Arbeitsgerät oder ein Lkw mit aufgekippter Ladefläche die Konstruktion nur rammt, entsteht eine brenzlige Situation: Denn das Krachen des Aufpralls kann Autofahrer ablenken und in der Folge Unfälle verursachen. Laut Asfinag gab es in Österreich bereits Verletzte durch Kollisionen von Baustellenfahrzeugen mit Überkopfkonstruktionen.

Praxisnahe Ausbildung

Um diese Gefahrenquelle zu entschärfen, entwickelten Lehrende und Studierende des Instituts für Electronic Engineering der Fachhochschule Joanneum ein spezielles Überwachungs- und Warnsystem. Finanziert wurde das praxisnahe Forschungsprojekt namens Argus je zur Hälfte von der Asfinag und dem Verkehrsministerium im Rahmen der Initiative Verkehrsinfrastrukturforschung.

Eineinhalb Jahre lang haben sich erfahrene sowie angehende Elektronikingenieure der FH Joanneum mit der Problematik beschäftigt und ihre Ideen mit den Erfahrungen des Forschungspartners Asfinag verbunden. „Im Rahmen des Projekts bekamen die Studierenden Teilaufgabenstellungen, die sie mit Unterstützung der Lehrenden zu lösen hatten“, sagt Projektleiter Thomas Messner von der FH Joanneum. „So kommen sie bereits während der Ausbildung mit den Anforderungen der Praxis in Berührung und können ihr Wissen an realen Problemen erproben und erweitern.“

Das bisherige Ergebnis ist ein in Kürze einsatzbereiter Prototyp eines Warnsystems, das die potenziellen Verursacher von Kollisionen mit Überkopfkonstruktionen gezielt alarmieren kann. Der Bediener einer Baumaschine oder eines aufgekippten Lastwagens wird durch ein audiovisuelles Signal gewarnt, wenn sein Fahrzeug dem fahrbahnüberspannenden Balken zu nahe kommt.

Die Funktionsweise des Systems ist einfach: „Ein wesentlicher Teil ist ein Laserscanner, der an der Überkopfkonstruktion im Baustellenbereich angebracht wird“, sagt Messner. „Dieser Scanner bewertet sämtliche Objekte, die im Überwachungsbereich auftauchen.“ Bewegt sich eines davon auf die Überkopfkonstruktion zu? Wie weit ist es entfernt? Wie schnell ist es unterwegs? Stuft der Laserscanner das Objekt als gefährlich ein, wird über Funk augenblicklich Alarm geschlagen.

Empfangen wird dieses Signal von Alarmierungsgeräten, die in Form mobiler Kästchen in die Baustellenfahrzeuge gestellt werden können. Ein solches Gerät kann erkennen, ob sein Fahrzeug das Höhenüberschreitungssignal ausgelöst hat. Wenn ja, reagiert es mit Piepsen und Blinken, um den Fahrer zu warnen.

Individuelle Warnung

„Für uns war es wichtig, dass das System nur den Fahrer des potenziell gefährlichen Fahrzeugs alarmiert“, sagt Messner. „Dadurch werden die anderen Bauarbeiter nicht gestört, was die Akzeptanz des Systems sicher erhöht.“ Demnächst wird das System bei einer Autobahnbaustelle erprobt. „Mit diesem Praxistest sollen zum einen die Akzeptanz beim Personal sowie die Zuverlässigkeit der Alarmierung getestet werden“, so der Projektleiter. „Zum anderen wollen wir Informationen über die Robustheit der Systemfunktionen wie Höhenmessung oder Funk bei verschiedenen Witterungsverhältnissen gewinnen.“ Schließlich soll die Warnanlage auch bei Regen, Schnee und Hagel funktionieren. Besteht sie den Härtetest, könnte der lange Weg zur serienmäßigen Produktion beschritten werden. (Doris Griesser, Der Standard, 7.2.2016)